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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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ziemlich viel.“
    Silas zog die Brauen hoch. „Finden Sie?“
    Irgendwo tief drinnen tat etwas unheimlich weh. Er war noch nicht sicher, was das war. Ein rumorender, dröhnender Verlust, der ihm früher oder später über den Kopf wachsen und ihn auffressen würde. Dylan? Bist du das? Verdammt, er wollte, dass die Kerle endlich zur Sache kamen. Gleichzeitig wusste er, dass sie kein Recht hatten, ihm irgendwas anzuhängen, solange die dänische Regierung kein grünes Licht dafür gab. So, wie die sich aufführten, gab es dieses grüne Licht noch nicht.
    „Wir planen, Sie aus Grönland auszufliegen und nach London zu bringen.“
    „Sie beide wissen so gut wie ich, dass Sie dazu gar nicht die Berechtigung haben. Sagen Sie mir doch erst nochmal und präzise, was mir zulasten gelegt wird.“
    Obwohl er das eigentlich kein zweites Mal hören wollte. Das erste Mal hatte gereicht und den Boden unter seinen Füßen ins Schaukeln gebracht. Kaya. Ihr Blick. Der Unglaube darin. Die Angst. Es war diese Angst, an die er sich klammerte. Das und die Erinnerung, wie sie ihn aus dem eiskalten Wasser gezogen und dabei geschrien hatte. Er hatte geglaubt, das nicht mehr zu brauchen – einen Menschen, dem er etwas bedeutete, aber in diesem Augenblick war das Wissen, dass es Kaya gab, der einzige Schutzschild, den er gegen die Vorwürfe dieser Männer besaß. Er war noch nicht am Ende.
    „Das haben Sie bereits gehört, Silas Greve. Sagen Sie mir, haben Sie all die Jahre gehofft, wir hätten Sie vom Schirm verloren, sodass Sie damit durchkommen? Dass es nie jemand herausfinden wird, wenn nur genug Gras drüber wächst? Nun, Greve, schlechte Neuigkeiten. Wenn über eine Sache, die in der Wüste passiert ist, Gras wächst, kommt früher oder später ein Kamel und frisst es wieder ab.“
    „Die Analogie ist eine rhetorische Meisterleistung, Officer.“
    „Ihre Replik eher weniger. Was haben Sie uns zu sagen?“
    „Nichts, solange kein Vertreter der Regierung meines Heimatlandes anwesend ist. Ich bin dänischer Staatsbürger, wir befinden uns auf dänischem Boden.“
    „Sie sind auch britischer Staatsbürger, und wir geben Ihnen die Chance, sich hier und jetzt zu äußern. Unter sechs Augen.“
    „Ich kenne meine Rechte und Ihre Tricks.“
    Die beiden Polizisten wechselten einen schnellen Blick, dann stieß der am Fenster sich vom Rahmen ab und verließ den Raum. Die Türen gehörten nicht zu einer Verhörzelle, deshalb war deutlich zu hören, wie der Mann draußen telefonierte. Obwohl er es nicht wollte, zuckte Silas’ Mundwinkel. Viel Glück damit, um diese Nachtzeit einen grönländischen Politiker aus dem Bett zu holen. Die befanden sich jetzt alle im Winterschlaf.
    Dylan. Sie warfen ihm vor, Dylan erschossen zu haben. Dylan, für den er gestorben wäre, wie ein Soldat eben für einen anderen stirbt, und doch mehr als das. Sie waren so viele Jahre zusammen geflogen. Sie waren mehr gewesen, als Kameraden in der Armee. Wenn er jemals in seinem Leben einen Freund gehabt hatte, dann war es Dylan gewesen. Wer ihm vorwarf, diesen Mann erschossen zu haben, der kannte ihn nicht.
    Es war noch nicht vorbei. Es würde erst vorbei sein, wenn er selbst ins Gras biss. Wobei es in Grönland schwierig war, das Gras zu finden, in das man beißen konnte. Schwieriger war nur noch, ein Eismädchen wie Kaya zu kennen und sich so sehr in sie zu verlieben, dass alles Eis schmolz. Er schloss die Augen, sah sie vor sich. Ihre dunklen Augen voller Licht. Ihre Perlenstaubhaut, ihre wunderschönen Hände. Er schwieg, auch der Polizist sagte nichts. Irgendwann kam der andere wieder in den Raum, sichtlich genervt den Kopf schüttelnd.
    „Dann kann ich wohl gehen.“
    „Sie stehen unter Arrest.“
    „Von wem ausgesprochen?“
    „Von mir.“
    „Auf welcher Rechtsgrundlage?“
    „Sie werden des Mordes verdächtigt.“
    „Nicht von meiner Regierung.“
    Wie kam der Mann überhaupt auf Mord? Dylan war in einem Feuergefecht gefallen, nicht ermordet worden. Silas war dabei gewesen. Er hatte seinen Freund getroffen zusammenbrechen sehen. Silas hatte geglaubt, ebenfalls zu sterben, weil in einem versandeten Dorf in einem Tal des Spin Ghar die Hölle losgebrochen war. Was wollten diese Polizisten in den perfekt gebügelten Anzügen von ihm? Diese Männer, die in gefilterter Luft lebten und noch nie in die Mündung eines Maschinengewehrs geblickt hatten?
    „Wissen Sie, es ist verdammt schwer, in diesem Land davonzulaufen. Die Flugerlaubnis hat mir mein

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