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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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fehlte plötzlich und hinterließ brüllende Leere. Dahinter, darüber die Band, die es schief und wenig talentiert mit den Mamas & Papas hielt und die wenigen Pärchen auf der Tanzfläche dazu aufforderte, mit ihnen einen kleinen Traum zu träumen. Für Kaya war es ein Albtraum.
    „Mord?“
    Seine Stimme klang rau, atemlos. Wie im Reflex drehte er sich halb um, schirmte ihren Körper mit seinem ab, als wolle er sie all dem Bösen entziehen, das plötzlich durch die Luft pulsierte. Sie schob seinen Arm zur Seite, baute sich neben Silas auf. Ein Schutzschild um ihr Herz, in dem das Bild des Liebsten einen Abdruck für immer hinterlassen hatte. Niemand würde ihr das wegnehmen. Die anderen Gäste in der Bar unterbrachen ihre Gespräche, sahen neugierig auf die beiden Polizisten und Bonny und Clyde davor. Sie wünschte sich zurück ins Eis. „Das muss ein Irrtum sein. Wer soll das sein, Dylan McKerrick?“
    „Herr Greve, kommen Sie, bitte. Es ist nicht nötig, dass wir eine Szene machen.“ Der Beamte zu Silas’ Rechten fasste in die Innentasche seines Blousons und holte ein Schreiben hervor. Selbst auf die Entfernung konnte sie sehen, dass es offiziell war, mit Stempeln und Unterschriften. „Der Haftbefehl“, erläuterte der Polizist. Ihr schwindelte. Dylan. Sie hatte diesen Namen schon einmal gehört. Im Eis. Licht fing sich in den Handschellen am Gürtel des Beamten, fiel ihr blendend in die Augen. Sie musste blinzeln.
    „Silas.“ Lass es ein Fehler sein, das muss doch alles ein Fehler sein. Er hätte doch nicht nach Dylan gerufen, wenn er … nein. Das musste ein Fehler sein.
    Noch nie hatte sie ihn so gesehen. Den Gezeiten, Eis, Schnee, Unvernunft und Krankheit, allem war er mit zielstrebiger Entschlossenheit begegnet. Sie hatte ihm Kraft verliehen. Ihm und ihr. Jetzt atmete er Wut. Seine Schultern in der Lederjacke waren gespannt, die Sehnen an seinem Hals messerscharfe Stränge. Innerhalb eines Augenblicks war der chauvinistische Pilot, den sie liebte, zum Soldaten geworden.
    „Einen Moment bitte, Officers.“ Es war nicht wirklich eine Bitte, als er sich zu ihr umwandte und den beiden Beamten den Rücken zudrehte.
    Die grimmige Miene des einen Polizisten nahm sie kaum wahr, genauso wenig wie das Augenrollen des anderen. Einzig Silas konnte und wollte sie sehen.
    Er hob die Hand an ihre Wange, strich in einer Geste darüber, die mittlerweile schon so vertraut war, dass es schmerzte. „Alles wird gut, Baby. Es wird sich aufklären. Jeder bekommt, was er verdient. Ich muss jetzt gehen.“
    Geh nicht. Lass mich nicht allein. Nicht du auch. Sie schluckte die Tränen, nickte so entschlossen es ging, mit einem Körper, den sie nicht spürte. „Ich vertraue dir. Ich warte so lange hier auf dich. Ich … ich …“
    „Warte nicht, Kaya. Lebe. Ich werde zu dir kommen, sobald das alles vorbei ist.“ Dann, fast unhörbar, aber umso eindringlicher: „Warte nicht.“
    Er küsste sie auf die Stirn. Ganz sacht. Wie konnte einer, der so wütend war, der so vor Zorn bebte, gleichzeitig so zärtlich sein? Sie glaubte ihm. Sie wusste nicht einmal, was man ihm vorwarf, aber sie wusste, dass sie ihm Unrecht taten. Sie kannte ihn. Er war kein Mörder, durfte es nicht sein.
    Sie presste die Zähne aufeinander und nickte. „Leb wohl, Silas.“ Sie wusste, dass er diesmal nicht kommen würde, nachts in ihr Hotelzimmer, um gerade zu rücken, was so schrecklich schiefgegangen war. Aber sie würde nicht tun, was er von ihr verlangte. Sie würde auf ihn warten.
    Noch lange, nachdem Silas mit den Polizisten verschwunden war, sah Kaya auf einen Punkt in der Tür. Erst als die Band wieder spielte und die Paare wieder tanzten, ließ sie los.
     
    *
     
    Solche Räume sahen immer gleich aus. Kahl. Abgedunkelt. Wie hatte die britische Militärpolizei es geschafft, ein Zimmer im sechsten Stock des besten Hotels von Nuuk in eine Verhörzelle zu verwandeln? Die hatten so was wohl kaum für Fälle wie diesen immer hier bereitstehen. Einer der beiden vierschrötigen Kerle, die ihn aus dem Pub geholt hatten, lehnte am Fenster, nur ein Schatten gegen das heruntergelassene Rollo. Die Arme wichtigtuerisch vor der Brust verschränkt. Der andere saß Silas gegenüber am Tisch, der, abgesehen von den beiden Stühlen, das einzige Möbel im Raum war.
    „Wo ist mein Rechtsbeistand?“
    „Haben Sie einen?“
    „Ich verlange, dass ein Vertreter der dänischen und grönländischen Regierung bei diesem Verhör anwesend ist.“
    „Sie verlangen

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