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Polaris

Polaris

Titel: Polaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Konsequenterweise sind sie keineswegs verlässlicher, als die Person selbst es gewesen wäre. Hegte man also die Absicht, eine Konversation mit einem Avatar nicht um der Unterhaltung willen, sondern zum Zweck der Informationsbeschaffung zu führen, so war man gut beraten, sich ein gesundes Misstrauen zu bewahren.
    Jess Taliaferro tauchte in einer felsigen Bucht stehend auf. Er war ein kleiner Mann in mittleren Jahren mit ergrauendem, goldbraunem Haar, das einfach nicht korrekt sitzen wollte, und Augen, die ein wenig zu weit auseinander standen. Er nannte zu viel Bauch und zu wenig Schultern sein Eigen. Wenn er sich bewegte, was er während unseres Gesprächs ständig tat, wirkte er unbeholfen, tastete sich gewissermaßen unvorbereitet von einem Fuß zum anderen. Er hatte viel von einem Camaroo an sich, jenem großen, im Südosten beheimateten Vogel, der über die Strände zu watscheln und nach gestrandeten Meerestieren Ausschau zu halten pflegte. Alles in allem war er eine recht gewöhnliche Erscheinung, in der ich kaum diese treibende Kraft vermutet hätte. Aber da sieht man es wieder. Man kann eben nie wissen.
    »Hallo, Ms. Kolpath«, sagte er. »Sie waren, wie ich glaube, bei der Tagung, korrekt?«
    »Ja, ich war da. Ihre Präsentation hat mir sehr gefallen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Er blieb vor einer steinernen Bank stehen, von der aus man einen herrlichen Blick auf das Meer hatte. Die Bank schien das einzige künstliche Objekt in der Umgebung zu sein. »Darf ich?«, fragte er.
    »Bitte.«
    Er setzte sich. »Bei Nacht ist es hier wunderbar.« Er war in dem veralteten Stil seiner Zeit gekleidet, ein buntes Hemd, am Kragen weit geöffnet, eine Hose mit umgeschlagenen Hosenbeinen, ein verwegener blauer Hut mit Quaste.
    »Ja«, sagte ich.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Ja, wie eigentlich? Eine langgezogene Welle brach sich auf dem Meer und rollte an den Strand. »Dr. Taliaferro, bitte erzählen Sie mir von sich. Was Ihnen wichtig ist. Worauf Sie stolz sind. Wie Sie sich an jenem Tag gefühlt haben, an dem die Polaris aufgebrochen ist. Was Sie über die Ereignisse denken.«
    »Von mir soll ich erzählen?« Er sah überrascht aus.
    »Ja«, bestätigte ich. »Bitte.«
    »Die meisten Leute wollen von mir immer nur etwas über die Polaris hören. Nicht über mich.«
    »Sie wissen, warum.«
    »Sicher. Aber es scheint bisweilen, als hätte ich in meinem ganzen Leben nichts getan, außer diese Leute nach Delta Kay zu schicken. «
     
    Er erzählte mir von seiner Familie, seinen Träumen, seinen Jahren im Dienst der Vermessung.
    »Hatten Sie je irgendeinen Hinweis darauf«, fragte ich, »dass es da draußen außer den Stummen noch jemand anderen geben könnte?«
    Seine Augen schlossen sich. »Nein«, antwortete er. »Oh, wir wussten natürlich, dass es da draußen noch mehr intelligentes Leben geben muss. Das haben wir immer gewusst. Das Universum ist einfach zu groß. Wir wissen bereits von zwei Gelegenheiten, bei denen intelligentes Leben entstanden ist, und darum muss es notwendigerweise auch anderswo existieren. Wenn man erst so weit ist, wenn man erst weiß, dass es sich nicht um das Ergebnis einer wahrhaft unmöglichen Kombination verschiedener Ereignisse handelt, dann muss es da draußen noch andere geben. Es muss. Die wirklich wichtige Frage war, ob sie sich in der Zeit und dem Raum womöglich so weitläufig verteilten, dass wir ihnen während des Lebenszyklus der menschlichen Rasse niemals begegnen konnten.«
    Auf See bewegten sich Lichter.
    »Eine Überschneidung schien so unwahrscheinlich, dass wir sie nie ernsthaft in Erwägung gezogen haben. Ich meine, wir hatten natürlich längst Richtlinien erarbeitet, Regeln, was zu tun wäre, sollte tatsächlich jemand ein fremdes Schiff da draußen sehen. Aber wir haben nicht geglaubt, dass das geschehen würde. Und wir sind ganz bestimmt nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Aliens, falls wir welchen begegnen würden, feindselig sein könnten. Auf der Hut vielleicht, aber doch nicht feindselig. «
    »Warum nicht? Die Stummen sind feindselig.«
    »Sie sind feindselig, weil es gleich am Anfang, als wir einander gerade entdeckt hatten, eine Reihe von Ereignissen gegeben hat, die einen Konflikt heraufbeschworen haben. Wir haben Fehler gemacht, und sie, bis zu einem gewissen Grad, ebenfalls. Ich weiß es nicht. Vielleicht trägt auch niemand die Schuld daran. Die Leute wurden von der unerwarteten Situation überrascht, und sie haben nicht gut reagiert.

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