Polarrot
karierten Küchentüchern bestand, nach Flaschen.
Eine nach der anderen zog er hervor, betrachtete die kleinen handgeschriebenen Etiketten; Dolcetto 25, Dolcetto 24, Dolcetto 25, Dolcetto 25, Dolcetto 23, Dolcetto 24, Dolcetto 22, Dolcetto 23.
Er entschied sich für die beiden Flaschen Dolcetto 24 und die Dolcetto 22. Die restlichen stellte er eine nach der anderen wieder sorgfältig zurück.
Er entkorkte die drei Flaschen, schnupperte an den Korken, legte jeden neben die dazugehörende Flasche, entnahm einer Blechschachtel zwei Stück Käse und eine Salami. Er wickelte einen weichen Tomme de Savoie und einen gut gereiften Grana Padano aus dem Papier. Mit einem herzförmigen Käsekeil brach er mundgerechte Brocken aus dem Grana Padano, formte damit ein Häufchen in der Mitte eines Porzellantellers mit dem Signet des Grand Palace, schnitt den Tomme de Savoie in Stäbchen und verteilte diese um das Häufchen herum.
Die Grana Padano-Brocken beträufelte er vorsichtig mit einem Aceto balsamico di Modena von Giusti, pfefferte die Tomme-Stäbchen leicht und gab auf jedes ein paar Tropfen Olivenöl.
Für die Salami nahm er einen zweiten Teller und legte ein Messer dazu.
Vittorio zog ein sauberes grün-weiß kariertes Küchentuch aus einer Schublade, trug es ins kleine Wohnzimmer und breitete es so über das kleine Clubtischchen zwischen den Ohrensesseln, dass auf beiden Seiten genau der gleiche Abstand zum Tischrand entstand.
Er ging zurück, holte die Teller mit den Speisen, Besteck, Kristallgläser und deckte den Tisch so, wie es sich für ein Hotel der Klasse des Grand Palace gehörte.
Jack stapelte derweil so viel Holz in den flachen Korb, wie er nur konnte. Die Nacht bei Vittorio durfte kein Ende finden. Die verbleibende Zeit war sein letzter, bereits arg in Mitleidenschaft gezogener Schutzschild bis zur unweigerlichen Bestrafung, zur Vertreibung unter Schimpf und Schande, zum Verlust seines Namens, seiner Ehre, seiner Persönlichkeit. Er würde ausgelöscht, würde nie mehr hier, so nahe bei den Sternen der Welt, arbeiten können, fände nie wieder eine Anstellung in einem Hotel dieser Klasse. Die Welt, nach der er zu greifen gehofft hatte, bliebe auf ewig in weiter Ferne. Seine Berechnung des Glücks erwies sich als äußerst fehlerhaft.
Doch er würde Haltung bewahren. Wenn er enthauptet werden sollte, dann sicher nicht kniend, mit dem Kopf auf dem Richtblock, auf das Beil wartend, sondern stehend würde er dies erwarten, gerade Haltung, die Hände hinter dem Rücken, in Frack und Seide, gewaschen, rasiert und parfümiert mit Penhalgion’s Blenheim, das ein Gast in Zimmer 152 vergessen hatte.
Den Marsch durch die Gänge und Korridore des Grand Palace, verfolgt von den schadenfrohen Blicken der Liftboys und Kellner, dem zischenden Tuscheln der Zimmermädchen und Gouvernanten und den skeptischen Blicken der Köche und Küchenburschen, zum Büro des Direktors würde er mit perfektem Mittelscheitel, hohem Kinn und einem unergründlichen Lächeln absolvieren.
Bis zu diesem Auftritt blieb jedoch noch Zeit. Zeit für die Beichte. So wie es sich für einen ehrbaren Schafottgänger gehört. Beichte nach all den Lügen eines sündhaft teuren Abends. Nach all den meineidigen Treueschwüren, den heuchlerischen Schmeicheleien und hinterhältigen Täuschungen. Beichte bei Vittorio. Alles würde er sagen, wenn nicht um Absolution, so doch um Verständnis betteln. Vittorio war auch einmal jung gewesen. Vittorio hatte in jungen Jahren sicher auch schwerwiegenden Unfug und leichtsinnigen Mumpitz angestellt, dafür bezahlt, seine Lektion gelernt und sie auf seinem Gang durchs Leben beherzigt. So festigte sich sein Schritt nach und nach, wurde geschmeidiger, bis er Vittorio schließlich diese unnachahmliche Weltgewandtheit verliehen hatte, die ihn zum Star des Speisesaals machte, zur Schulter, an der sich diamantenbehangene Gattinnen ausweinten, ordendekorierte Weltkriegshelden im Suff anlehnten und mit der er zum unverzichtbaren Seismografen des Direktors für Gemütslage, Disponiertheit und Ausgabefreudigkeit der Gäste wurde.
Ein Glück, dass ich im Speisesaal auf ihn traf, dachte Jack, nahm den berstend vollen Korb Holz und schleppte ihn die Treppe hoch. Vor Vittorios Zimmertüre musste er erst einmal eine Weile verschnaufen, hatte er sich doch, wie so oft, zu viel zugemutet.
Mit neuen Kräften öffnete er die Tür, schob einen Fuß dazwischen, um zu verhindern, dass sie wieder ins Schloss fiele, und stellte unter
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