Polarrot
des Flusses, verzog sich wieder in den Wald, schlug sich weiter Richtung Osten, fand einen Tiertrampelpfad, folgte diesem, bis er über einem unpassierbaren Felsvorsprung jäh endete.
Alles wieder zurück, nochmals von vorne anfangen, diesmal gleich nach dem Felsband, auf dem die Spiegelbergruine stand, hinunterstechen. Da gab es auch einen Weg, schmal, aber von Menschen begangen. Scheinbar war er nicht der Einzige, der besagte Stelle am Fluss aufsuchen wollte.
Als er am Doubs ankam, musste er nur noch nach Westen gehen und da war die Biegung. Auf der schweizer Seite war sogar eine kleine Fläche aus Schwemmland und Gras.
Er setzte sich auf einen mächtigen, von den Wassern der Zeit abgerundeten Stein, aß ein Stück Brot mit eigenem Käse und studierte das Gelände. Gut ausgesucht, Yves, dachte er. Überall dichter Wald, in seinem Rücken nach wenigen Metern eine Felswand, auf der gegenüberliegenden französischen Seite ein schmaler Uferstreifen, aber sonst Wald und Steilheit. Patrouillen haben es hier schwer.
Für den Rückweg brauchte er knappe zwei Stunden. Er war erschöpft, zerkratzt, Dornen steckten noch in Jacke und Hose, aber er war zufrieden. Der Saumpfad zum Geld schien gefunden.
„Juliette a cinq vaches.“
„Juliette a cinq vaches.“
„Zwei Pakete à 1.500.“
„Zwei Pakete à 1.500.“
„Morgen nach rechts.“
„Morgen nach rechts.“
„Die Vögel schlafen gleich.“
„Die Vögel schlafen gleich.“
„Salut Monsieur S’Elagier.“
„Salut Monsieur Boucle.“
Es waren zwei junge Burschen, die ihm übergeben wurden. Zum Glück war ihm noch die Idee gekommen, ein Seil mitzunehmen, was sich als hilfreich erwies, führte der Doubs doch anständig Wasser.
Als Erstes ließ er sich auszahlen, dann führte er sie den Berg hinauf und zu sich nach Hause. Alles ging glatt: Keine Patrouillen, niemandem begegnet, die Burschen waren gut zu Fuß, den Aufstieg hatten sie ohne Mühe in der Dunkelheit gefunden. Breiter war mit sich und den dreitausend französischen Francs zufrieden.
Die jungen Männer waren kommunistische Juden, die die anhaltenden Proteste gegen die Deutschen in den Niederlanden mitorganisiert hatten. Nach Verhängung des Kriegsrechts war die Lage für die beiden lebensbedrohend geworden. So waren sie über eine Kette von Mittelsmännern über Belgien, Paris, Belfort bis nach Charmauvillers gekommen, wo sie von Yves bis zur Übergabe versteckt wurden.
Yves ließ über sie ausrichten, dass jetzt ab und zu Pakete kämen und dass er jeweils am Freitag auf BBC die einstündige Sendung „Radio Londres“ hören sollte.
Am anderen Morgen reisten die beiden weiter, mit schweizer Visum und belgischen Pässen, nach Biel, das über eine gut funktionierende jüdische Gemeinde und eine von Rabbi Lauer und seiner Frau geführte Flüchtlingshilfe verfügte.
Am Abend lud Breiter Pierre zu einem guten Nachtessen mit einem rechten Schluck Wein in das beste Restaurant von Le Noirmont ein.
Yves dagegen versteckte das Geld im Felsenkeller seiner Scheune. Dabei kam ihm die Idee, diesen weiter auszubauen, mit einem zweiten Eingang im Wald zu versehen und so einzurichten, dass auch mehrere Menschen darin übernachten konnten.
Die Nachricht des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überraschte auch Yves. Sie wurden ihm langsam unheimlich, die Deutschen. Breiters Prophezeiungen hallten in seinen Ohren nach und so beschloss er erstmals, sich zu ducken und abzuwarten.
Im Dezember wurde er nach dem Bezirkshauptort Maîche beordert, um Anweisungen des deutschen Zivilkommandanten entgegenzunehmen. Eigentlich rechnete er mit einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Abgaben (Milch, Käse, Fleisch, Holz), die auch die Bauern von Charmauvillers als Beitrag zur deutschen Kriegswirtschaft zu leisten hatten, aber er bekam die Order, allfällige Juden und Halbjuden seiner Gemeinde in ein eigens dafür geschaffenes Formular einzutragen.
So ging er am Abend ins Wirtshaus, fragte die Anwesenden, ob jemand Jude sei oder in der Gemeinde wohnende Juden kenne, was allgemein verneint wurde, machte sich am folgenden Tag mit dem leeren Formular wieder nach Maîche auf und gab das leere Blatt ab.
Der junge Deutsche betrachtete das Formular ausgiebig und fragte schließlich, ob er sicher sei.
Yves bejahte eindringlich, und der Deutsche ließ ihn mit der Bemerkung „er hoffe es“ wieder zurückkehren.
Kurz vor Weihnachten bekam er die telegrafische Order, Juden sei es nur noch erlaubt, sich
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