Polarsturm
in Fahrt und steuerte es auf Zaks Drängen hin auf die Steuerbordseite des Leichters. Im immer dichter werdenden Nebel waren die dunklen Umrisse des Leichters selbst auf wenige Meter Entfernung kaum noch zu sehen. Zak griff in seine Tasche und holte ein Hochfrequenzfunkgerät heraus, dann trat er auf die Brückennock, zog die Antenne aus, schaltete das Gerät ein und drückte auf den roten Sendeknopf.
Das Funksignal erreichte binnen kürzester Zeit den Zünder, der die Sprengkapsel am Heck des Leichters auslöste. Einen Sekundenbruchteil später ging die Dynamitladung hoch.
Die Explosion war weder laut noch spektakulär, nur ein dumpfer Knall, der durch den Rumpf des Leichters hallte, gefolgt von einer Rauchwolke, die vom Achterdeck aufstieg. Zak schaute sich das Ganze ein paar Sekunden lang an, dann kehrte er in die warme Brücke zurück und verstaute den Sender wieder in seiner Tasche.
»Ich möchte das Blut dieser Männer nicht an den Händen haben«, knurrte der Kapitän.
»Aber Sie verstehen das völlig falsch, Käpt’n. Wir haben den Leichter durch einen Unfall verloren.«
Der Kapitän starrte Zak mit verständnisloser Miene an.
»Das ist doch ganz einfach«, fuhr Zak fort. »Sie schreiben in Ihr Logbuch und berichten den Hafenbehörden, dass ein amerikanisches Forschungsschiff im Nebel versehentlich mit unserem Leichter zusammengestoßen ist und beide Schiffe gesunken sind. Wir konnten natürlich mit viel Glück in kürzester Zeit die Schlepptrossen lösen, ohne dass es auf unserer Seite Opfer gab. Leider konnten wir im Wasser keine Überlebenden des NUMA-Schiffes finden.«
»Aber das NUMA-Schiff ist doch gar nicht gesunken«, wandte der Kapitän ein.
»Das«, erwiderte Zak, »wird sich bald ändern.«
66
Für Pitt und Giordino war die letzte Stunde in dreihundert Metern Tiefe ein völliger Reinfall gewesen. Als er den Rover durch das Unterdeck nach achtern steuerte, bemerkte Giordino, dass das ROV-jählings zum Stehen kam und sich nicht mehr von der Stelle bewegte. Als er das Strom- und Steuerkabel überprüfte, stellte er fest, dass es sich in irgendwelchen Trümmern am Ende der Kombüse verheddert hatte. Und die Sache wurde noch schlimmer, als die Strahlruder des ROV eine mächtige Schlickwolke aufwirbelten. Er musste zehn Minuten warten, bis er wieder so viel Sicht hatte, dass er das Kabel frei bekam.
Mittlerweile war es in dem Tauchboot regelrecht heiß geworden, und Giordino lief der Schweiß übers Gesicht, als er das ROV durch die Unterkünfte der Besatzung und den Hauptniedergang zum Heck des Schiffes lotste.
»Wo ist bloß der Salon dieses Kahns? Ich glaube, Rover und ich könnten jetzt langsam mal ein Bier gebrauchen«, murmelte er.
»Dazu müsstest du ins Zahlmeisterbüro unter Deck einbrechen, wo der Rum verstaut war. Wenn das die
Erebus
ist, hast du natürlich kein Glück, da Franklin Abstinenzler war.«
»Damit ist alles klar«, sagte Giordino. »Ein weiterer Beweis ist gar nicht nötig. Bei dem Glück, das ich derzeit habe, muss es die
Erebus
sein.«
Obwohl die Zeit, die ihnen noch am Meeresgrund verblieb, langsam ablief, war keiner der beiden Männer bereit aufzugeben. Sie setzten weiter ihr ROV ein, steuerten es den Gang entlang vorbei an den engen Offizierskabinen und stießen schließlich auf einen großen Raum am Heck des Schiffes. Die sogenannte Große Kabine reichte von der einen Rumpfseite bis zur anderen und stellte den einzigen behaglichen Raum dar, der den Männern auf dem Schiff zur Verfügung stand – oder zumindest den Offizieren. Hier befand sich auch eine Bibliothek, dazu gab es Schachspiele, Karten und andere Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Außerdem lag hier möglicherweise irgendwo das Logbuch. Aber auch in der Großen Kabine gab es keinerlei Hinweise auf die Identität des Schiffes.
Quer über den Boden und um einen umgekippten Tisch herum war ein knietiefer Haufen Bücher verstreut, die beim Sinken das Glas der Regale zu beiden Seiten durchschlagen hatten und wild durcheinandergeworfen worden waren. Langsam steuerte Giordino das ROV kreuz und quer durch die Kabine und erkundete das ganze Chaos.
»Sieht aus wie die Bibliothek von San Francisco nach dem großen Erdbeben«, sagte er.
»Die Schiffsbibliothek enthielt zwölfhundert Bände«, erwiderte Pitt, während er das Durcheinander musterte. »Wenn das Logbuch hier rumliegt, brauchen wir vierzehn Tage Zeit und viel Sitzfleisch, um es zu finden.«
Ein weiterer Funkspruch von Dahlgren
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