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Polarsturm

Polarsturm

Titel: Polarsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Dirk Cussler
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handelte, das einst unter seinem Kommando gestanden hatte. Doch es wirkte wie ein Geisterschiff, mit eingerollten Segeln und menschenleerem Deck. Er fragte sich, ob sich die wahnsinnigen Männer an Bord überhaupt darüber im Klaren waren, dass sie abtrieben. Dann musterte er die Umgebung des Schiffes, und die Begeisterung, die ihn bei dessen Anblick erfasst hatte, legte sich sofort wieder. Dort war nichts als festes Eis.
    »Sie sitzt noch immer im Packeis fest«, murmelte er und bemerkte dann, dass sich das Schiff mit dem Heck voraus bewegte. Die
Erebus
steckte in einer zehn Meilen langen Eisscholle, die von dem gefrorenen Panzer auf der See abgebrochen war und nun gen Süden trieb. Ihre Überlebenschancen hatten sich leicht verbessert, aber dennoch drohte sie nach wie vor vom berstenden Eis zermalmt zu werden.
    Fitzjames stieß einen Seufzer aus, dann wandte er sich an zwei der kräftigsten Besatzungsmitglieder.
    »Reed, Sullivan, holt Strickland sofort zurück«, befahl er.
    Die beiden Männer richteten sich auf und rannten hinter Strickland her, der das Packeis jetzt erreicht hatte und hinter einem großen Hügel verschwand. Fitzjames blickte wieder zu dem Schiff hinüber und hielt Ausschau nach Schäden am Rumpf oder einem Lebenszeichen an Bord. Doch er war zu weit entfernt, um etwas Genaueres erkennen zu können. Er musste an Franklin denken, den Leiter der Expedition, dessen sterbliche Überreste in Eis gepackt tief im Laderaum lagen. Vielleicht wird der alte Kauz doch noch in England begraben, dachte Fitzjames und war sich zugleich bewusst, dass es um seine Aussichten, wieder nach Hause zu kommen, eher schlecht stand.
    Eine halbe Stunde verging, bevor Reed und Sullivan zum Boot zurückkehrten. Fitzjames bemerkte, dass die beiden Männer zu Boden starrten und einer von ihnen einen Schal in der Hand hatte, den Strickland sich um Hals und Gesicht geschlungen hatte.
    »Wo ist er?«, fragte der Kommandant.
    »Er ist durch einen mit Schnee bedeckten Spalt im Packeis gebrochen«, erwiderte Sullivan, ein Rigger mit traurigen blauen Augen. »Wir haben versucht, ihn rauszuziehen, aber er ist untergegangen, bevor wir ihn richtig zu fassen bekamen.« Er hielt den steif gefrorenen Schal hoch, das Einzige, was sie hatten ergreifen können.
    Es spielt keine Rolle, dachte Fitzjames. Selbst wenn sie ihn herausgezogen hätten, wäre er wahrscheinlich gestorben, bevor sie ihn in trockene Kleidung hätten packen können. Strickland hatte sogar Glück. Wenigstens hatte er einen schnellen Tod gefunden.
    Fitzjames verdrängte den Gedanken und rief der bedrückten Besatzung in barschem Tonfall zu: »Legt das Geschirr wieder an. Bringt die Schlitten in Gang.« Über den Verlust verlor er kein weiteres Wort.
    Die Strapazen wurden von Tag zu Tag schlimmer, während sich die Männer gen Süden schleppten. Bald konnten einige nicht mehr mithalten, sodass die Besatzung in diverse Trupps zerfiel. Crozier und eine kleine Schar bahnte sich zehn Meilen vor allen anderen einen Weg die Küste entlang. Fitzjames folgte ihm, doch mehrere Meilen hinter ihm trotteten drei, vier Trupps mit Nachzüglern, die Schwächsten und Schwerkranken, die nicht mehr Schritt halten konnten und bereits so gut wie tot waren. Fitzjames hatte seinerseits drei Männer verloren und mühte sich mit nur noch dreizehn Mann voran, die das schwere Boot schleppten.
    Ein leichter Wind und halbwegs gemäßigte Temperaturen hatten die Männer wieder hoffen lassen, der Eishölle vielleicht doch noch zu entrinnen. Doch mit einem späten Frühlingsblizzard wendete sich das Glück. Wie ein nahender Schleier des Todes tauchte im Westen ein schwarzer Wolkenstreifen auf und wälzte sich auf sie zu. Beißender Wind fegte über das Packeis und hämmerte gnadenlos auf das Eiland ein. Fitzjames, der fast umgerissen wurde und kaum noch etwas sehen konnte, blieb nichts anderes übrig, als das Boot umkippen zu lassen und mit seinen Leuten unter dem hölzernen Rumpf Zuflucht zu suchen. Vier Tage lang drosch der Wind wie ein Hammer auf sie ein. Die ausgezehrten Männer, die mit karger Nahrung und ohne eine Möglichkeit sich aufzuwärmen unter ihrem notdürftigen Schutzdach festsaßen, erlagen nach und nach den Unbilden der Elemente.
    Wie alle anderen verlor auch Fitzjames ein ums andere Mal das Bewusstsein, als ihn allmählich die Lebenskräfte verließen. Als das Ende nahe war, rappelte er sich, vielleicht von Neugier getrieben, noch einmal auf. Er stieg über die Leichen seiner Gefährten,

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