Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
neuen Sprints versuchten, ihre Bestzeit tiefer und tiefer zu drücken. Die Show hatte eine Spannungskurve, und meist entschied sich erst in der letzten Sekunde, wer auf den besten Startplatz durfte, auf die begehrte Pole Position. Senna war ein Meister in dieser Disziplin. Bei den 161 Formel-1-Rennen, zu denen er startete, errang er 65-mal die Pole Position. Die »90 Sekunden reine Geschwindigkeit«, hat er 1993 der Zeitschrift SPORTS verraten, seien für ihn »das größte Vergnügen, das es auf der Welt gibt. Alles konzentriert sich auf diese eine Runde, und manchmal hat man an besonderen Stellen lange den Atem angehalten, nur um voll am Limit zu fahren«. Die Jagd nach der schnellstmöglichen Runde – das war damals eine Belastungsprobe für Mensch und Maschine.
Als die Autos zuverlässiger wurden und Computer die Rundenzeiten immer exakter vorausberechnen konnten, ging das Qualifikationsspektakel verloren. Statt zu fahren, warteten die Teams lieber. Meist wird der Asphalt über die Mittagszeit mit jeder Minute wärmer, und je wärmer er ist, desto besser haften die Reifen. Plötzlich gab es Rennen, in denen in der ersten Viertelstunde der Qualifikation gar nichts passierte. Dann fuhren die Hinterbänkler-Teams ein paar Sicherheitsrunden. Die Top-Teams warteten bis zum Schluss. Schließlich schickten sie ihre Fahrer kurz los. Und meistens parkte dann Michael Schumacher auf der Pole Position. Auch, um seine Überlegenheit zu brechen, wurden die Qualifying-Regeln 2003 geändert: Statt alle auf einmal durften die Fahrer einzeln losziehen, nacheinander, in der Reihenfolge des WM -Stands. Dieses Einzelzeitfahren gab es zweimal, einmal am Freitag, einmal am Samstag. Im Jahr darauf wurden beide Runden auf den Samstag verschoben. Ganz wild wurde es 2005: Zu Beginn fanden die entscheidenden Runden erst vier Stunden vor Rennbeginn statt; einmal durfte mit viel Benzin gefahren werden, einmal mit wenig. Die Zeiten wurden anschließend addiert – so dass kaum noch einer durchblickte, wer warum wo stand. Seit 2006 gibt es drei Qualifikationsphasen. In jeder scheiden die Schlechtesten aus. Die besten Zehn fahren schließlich in der letzten Phase die Pole Position aus. Für die Fahrer aus den Top-Teams wird es erst dann spannend. In Japan kommt Sebastian Vettel in der ersten Phase als Siebter weiter, in der zweiten reicht ihm wie Button ein Versuch, dann ist klar: Er hat sein Ziel erreicht, den entscheidenden Abschnitt, in dem um die Pole Position gekämpft wird. »Sobald du im Auto sitzt, einen frischen Reifensatz und die richtigen Einstellungen hast und die im dritten Qualifikationsabschnitt wiederfindest, geht es nur noch um dich, das Fahrzeug und die Strecke«, sagt er.
Gefühle für Sekunden
Sportler, die gegen die Uhr antreten, haben ein besonderes Gefühl für die Zeit. Der Skirennläuferin Lindsey Vonn reicht es, eine Abfahrtspiste einmal zu fahren, um die markanten Punkte zu erkennen und sich an sie zu erinnern. Als Vorbereitung auf das Rennen fährt sie die Strecke immer wieder ab. Im Kopf. Wo geht es nach rechts? Wo nach links? Wo neigt sich der Hang wie? Abläufe zu visualisieren, sie vorzuempfinden, hilft, Automatismen zu entwickeln, und es stärkt das Selbstvertrauen. Abfahrtstalente lernen das schon, wenn sie zwölf Jahre alt sind. Die Trainer imitieren dann gerne Wettbewerbe: In Rennposition hinhocken und auf Kommando die Strecke im Kopf abfahren! Dazu läuft die Stoppuhr. Lindsey Vonn kam schon als Kind immer nah an die Zeit, die sie später auch tatsächlich benötigte. Bei Motorsportlern läuft es ähnlich. Ihnen reichen wenige Empfindungen, um zu spüren, was möglich ist mit einem Auto. Im ersten Training war Sebastian Vettel auf dem Suzuka International Racing Course eine Bestzeit von 1:34,090 Minuten geglückt. Im zweiten Training war er schneller gewesen: 1:32,095. Am Samstagvormittag wurde als beste Zeit für ihn 1:32,122 notiert. In der ersten Qualifikationsphase war er – auf harten Reifen – mit 1:33,051 Minuten weitergekommen, in der zweiten – auf weichen Reifen – mit 1:31,424 Minuten. Der letzte Qualifikationsabschnitt dauert zehn Minuten. Wirklich schnelle Runden sind nur auf einem frischen Reifensatz möglich, der eine Runde lang aufgewärmt werden muss. Das heißt: Alle Kandidaten auf die Pole Position haben zwei Versuche, eine Bestzeit zu setzen. Entsprechend früh gehen Vettel, Webber, Button und Hamilton auf die Strecke. Nach dem ersten Versuch weiß Sebastian Vettel: Er kann es
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