Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
schaffen, die Pole Position ist drin. Er liegt zwar zwei Zehntelsekunden hinter Lewis Hamilton, aber dessen Rundenzeit beträgt 1:30,617. Sebastian Vettel ist sich sicher: Wenn ihm kein Fehler unterläuft, kann er 1:30,50 fahren.
Um Punkt 14 Uhr Ortszeit wird die karierte Flagge gesenkt. Dann darf keiner mehr eine schnelle Runde beginnen, aber wer schon auf einer unterwegs ist, darf sie noch zu Ende bringen. Die Teams gehen mit der Strategie ans Limit. Je später ein Fahrer seinen Versuch startet, desto mehr sind vor ihm über die Ideallinie gefahren, desto mehr Gummispuren befinden sich dort, desto besser haften die Reifen. Aber die Taktik birgt auch eine Gefahr: Wehe, es kommt etwas dazwischen und der Pole-Kandidat schafft es nicht rechtzeig über die Start-und Ziellinie. Dann verfällt der Versuch. Bei Lewis Hamilton kommt an diesem Nachmittag etwas dazwischen. In der Aufwärmrunde gerät er zwischen Mark Webber und Michael Schumacher, verliert Zeit – und muss seine Jagd abbrechen. Die 1:30,617 kann er deshalb nicht mehr verbessern. Sebastian Vettel bekommt davon nichts mit. Für ihn haben die 90 wichtigsten Sekunden begonnen, seit er in Suzuka angekommen ist. Auf den 5,807 Kilometern, die vor ihm liegen, gilt es nun alles herauszuholen. Im ersten Sektor will Sebastian Vettel viel – zu viel. In den »Esses« wird er nach links und rechts gerissen, unfallfrei passiert er den Ausgang der Kurve Nummer acht, wo er am Freitag im Training in die Reifenstapel schlug. Aber er hat es übertrieben. Die Zwischenzeit zeigt keine Verbesserung. Trotzdem bleibt er zuversichtlich, das Auto fühlt sich gut an. Spoon Corner: nachsteuern, runterschalten, früh aufs Gas. Die zweite Zwischenzeit sieht gut aus. In der R130 drückt es seinen Körper mächtig zur rechten Cockpitwand, Sekunden später reißt es ihn in die Gurte. An der Schikane vor der Kurve, die auf die Start-und Zielgerade führt, kommt das Auto mit rund 300 km/h an. In etwas mehr als 1,6 Sekunden wird es auf knapp hundert Metern auf etwa Tempo 100 gebremst. Es ist, als wolle der Kopf aussteigen. Nach 1:30,466 Minuten schießt Sebastian Vettel über die Linie – und schaut sofort zur nächsten großen Videowand. Dort sieht er, wie Lewis Hamilton ankommt. Ohne Zeitverbesserung. Auch sein Teamkollege Mark Webber konnte seine Zeit nicht unterbieten. Jenson Button, der bei der zweiten Zwischenzeit noch Vorsprung hatte, verbessert sich. Aber für ganz nach vorne reicht es nicht: 1:30,475.
Schließlich meldet sich Renningenieur Guillaume Roquelin am Funk und eröffnet Sebastian Vettel, dass er es geschafft hat: Er hat die Pole Position errungen. Um neun Tausendstelsekunden war er schneller als Button. Ein Wimpernschlag. Umgerechnet 68 Zentimeter – so knapp hat er den Rivalen hinter sich gelassen. Die Freude darüber ist Sebastian Vettel anzuhören, als er Roquelin am Funk antwortet. Er schreit: »That’s what I’m talking about!« Teamchef Christian Horner ist gleichermaßen verzückt. »Eine phantastische Runde« – »eine seiner besten in dieser Saison« – »sicher die engste Kiste des Jahres« – »mental ungeheuer stark«.
Fragerunde
Wenn die Kameras live auf sie gerichtet sind, folgt die Formel 1 einer fein ausgeklügelten Choreographie. Jeder Schritt der Hauptdarsteller ist geplant. Wenn sie ihre Autos abgestellt haben, werden die schnellsten Drei der Qualifikation zu einem gemeinsamen Foto vor eine Plakatwand gebeten. Auf der prangen keine Firmennamen; aber der Automobilweltverband, unter dessen Hoheit die Rennserie steht, lässt es sich nicht nehmen, auf seine Aktion für sichere Straßen aufmerksam zu machen, eine Aktion, für die er weltweit Unterstützung bei Politikern sucht. Danach geht es umgehend weiter zur Pressekonferenz. Ein Conférencier befragt die drei Schnellsten, die nebeneinander vor einer Kulisse sitzen, auf der farbige Kurven Dynamik suggerieren sollen. Alles auf Englisch. Nicht-Briten werden am Ende aufgefordert, einen Kommentar in ihrer Muttersprache abzugeben. Die Aussagen können die TV -Stationen, die live berichten, in ihre Nachbetrachtungen zur Qualifikation einbauen. Nach der Runde fürs Fernsehen ziehen die drei Fahrer zur schreibenden Presse um. Hier werden ausschließlich Fragen in Englisch gestellt, die ersten kommen wieder von einem Conférencier. Anschließend ist das Plenum offen. Etwa hundert schreibende Journalisten sind bei jedem Rennen; bei denen, die entscheidend für die WM sein können, auch manchmal doppelt so
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