Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
oft nicht gleich erfassen. Den Fuß abrupt vom Gas zu nehmen, zum Beispiel. Oder dem Gegner eine Lücke andeuten und den eigenen Wagen kurz darauf an die Stelle lenken, um ihm den Schwung zu rauben. Sebastian Vettel und Fernando Alonso gehen fair miteinander um. Aber es ist deutlich zu spüren: Es geht um mehr als nur um Platz zwei. Sieben Runden lang bleibt Sebastian Vettel unerbittlich. Sieben Runden lang sitzt er Alonso im Nacken. Wenn die beiden über die Start-und Ziellinie schießen, trennen sie weniger als eine Sekunde. Doch trotz Kers und DRS : Vettel findet keinen Weg vorbei. Alonso verteidigt hart, aber vorzüglich. Wie entschlossen Sebastian Vettel ist, ihm den Platz abzujagen, der für seine Titelambitionen alles andere als entscheidend ist, ist zu sehen, als die beiden in Runde 45 auf den überrundeten Jerome D’Ambrosio auflaufen. Der Belgier, der ein unterlegenes Auto des Teams Marussia-Virgin bewegt, bekommt von den Streckenposten zwar blaue Flaggen gezeigt – das Signal, dass ein Schnellerer naht und er die Ideallinie freizugeben hat – aber als Sebastian Vettel auf ihn trifft, dauert es einen Moment, bis D’Ambrosio reagiert. Sebastian Vettel entbietet daraufhin einen eindeutigen Gruß: die zur Faust geballte linke Hand.
Innere Unruhe
So überlegen sie sonst gerne tun, im Rennen gibt es nicht selten Momente, in denen die Fahrer alles ausblenden, in einen Gedankentunnel geraten, sich in einen Rausch steigern. Die Jagd auf Fernando Alonso ist so ein Moment, und Sebastian Vettel wird seinem eigenen Team ein wenig unheimlich. Kurz darauf ergeht ein Funkspruch an ihn. »We were trying to contain his enthusiasm – reminding him he’d already got 14 points more than he needed«, gab Red-Bull-Teamchef Christian Horner den Funkverkehr nachher in feinstem Upperclass-Englisch wieder: »Wir haben versucht, seinen Enthusiasmus nicht zu bremsen und ihn gleichzeitig daran erinnert, dass er schon 14 Punkte mehr hat, als er braucht.« Der Motorsportberater der Getränkefirma, der ehemalige österreichische Rennfahrer Helmut Marko, gab den Dialog in der ihm eigenen Art etwas direkter wieder: »In der Schlussphase haben wir ihn überzeugen können, keine unnötigen Risiken mehr einzugehen. Erfreut war er darüber nicht.« Sebastian Vettel selbst bestätigte das: »Genossen habe ich es nicht.« An seinen Teamkollegen Mark Webber, zu der Zeit Vierter, ergeht in derselben Runde die gleiche Botschaft: Red Bull bläst die Jagd für diesen Tag ab.
Auch Button wird von seinem Kommandostand angewiesen, sein Auto zu schonen, erschrickt kurz darauf aber, als er beim Passieren der Start-und Zielgeraden die Tafel sieht, auf der ihm sein Vorsprung angezeigt wird: Alonso ist bis auf 2,6 Sekunden an ihn herangekommen. Die letzten Runden werden deshalb noch einmal spannend für Button: Einerseits will er Alonso unbedingt um mehr als eine Sekunde hinter sich halten, sonst darf der Spanier den Heckflügel flach stellen und kann ihn auf der Start-und Zielgeraden möglicherweise in der letzten Runde noch überholen. Andererseits muss Button Benzin sparen. Viel ist nicht mehr im Tank. Mit den letzten Reserven schafft Button es 1,160 Sekunden vor Alonso über die Ziellinie. Kurz danach stellt er seinen McLaren ab. Es ist nicht mehr genug Benzin im Tank, um eine Ehrenrunde zu drehen. Ohne die Safety-Car-Phase wäre sein Erfolg ernsthaft in Gefahr geraten. Sebastian Vettel kommt zwei Sekunden später über die Ziellinie. Er fährt dort extra ganz weit nach rechts, direkt an der Boxenmauer entlang, von wo aus ihm die Red-Bull-Crew zujubelt. Sein erster Gedanke, als er wieder nach vorne schaut und die gewaltigen, voll besetzten Tribünen sieht, auf denen die Fans klatschen, ist trotzdem ein trüber: »Ich wusste, dass ich verloren habe. Und ich habe mich gefragt: Was ist heute falsch gelaufen.« Renningenieur Guillaume Rocquelin ist der erste Gratulant. Seine Glückwünsche am Funk beginnen mit einer Entschuldigung: »Ich bin mir sicher, dass du das Rennen lieber gewonnen hättest. Aber trotzdem …« Von Sebastian Vettel ist daraufhin erst einmal nichts zu hören. Er hat aus dem Vorjahr gelernt, als ihm sein emotionaler Ausbruch im Nachhinein peinlich war. Er versucht zunächst, die Rührung hinunterzuschlucken, erst nach einigen Sekunden funkt er zurück: »We took nothing for granted and we did it.« »Wir haben nichts für selbstverständlich gehalten – und wir haben es geschafft.« Und: »Ich danke jedem Einzelnen von
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