Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Vorsprung auf 2,8 Sekunden wachsen lässt. Doch nicht nur das muss Sebastian Vettel sorgen. Kaum lässt Button vor ihm nach, dreht Alonso hinter ihm auf. In Umlauf 32 glückt dem Spanier die schnellste Runde im Feld, durch die er Sebastian Vettel fast vier Zehntelsekunden näher kommt.
Das ist der Moment, in dem Sebastian Vettel zuckt: Er biegt zur Box ab. Als Erster die Reifen zu wechseln, muss kein Nachteil sein. Es kann sogar einen Vorteil bringen. Der Unterschied zwischen den Rundenzeiten, die auf frischen Reifen möglich sind, und denen, die bereits benutzte ermöglichen, ist mitunter so groß, dass derjenige, der länger auf der Strecke bleibt, große Augen macht. »Undercut« heißt der Effekt. Um ihn zu nutzen, ist es allerdings nötig, die Gegner so lange wie möglich über die eigene Boxenstrategie im Unklaren zu lassen. Ansonsten ist es für die Konkurrenzteams ein Leichtes, die Attacke zu kontern, indem der eigene Fahrer in derselben Runde zum Reifenwechsel beordert wird. Deshalb verstecken sich die Mechaniker so lange wie möglich mit den frischen Reifen in der Box und sprinten erst auf die letzte Sekunde auf ihre Positionen. Sebastian Vettel nutzt all die Mühe beim Versteckspiel an diesem Nachmittag aber wenig. Sein Problem: Das Safety Car hat das Feld so dicht gepackt, dass er lediglich an zehnter Position zurück ins Rennen kommt, unmittelbar hinter Adrian Sutil im Force India. An dem kommt er zwar mühelos vorbei. Das aber hält auf. Erst nach einer Runde kann Sebastian Vettel den Vorteil ausspielen, den ihm die frischen Reifen bringen. Er dreht die schnellsten Runden im Feld. Aber es ist zu spät. Jenson Button hat unbedrängt seine Reifen gewechselt, und auch Fernando Alonso hat die Gelegenheit genutzt, sich mit einem Zwischenspurt in eine aussichtsreiche Position zu schieben. Der Spanier wechselt als Letzter aus dem Spitzentrio seine Reifen. Als er in Runde 38 zurück auf die Strecke biegt, hat er es an Sebastian Vettel vorbei auf den zweiten Platz geschafft.
Explosives Duell
Sebastian Vettel gegen Fernando Alonso. Das hat was. Ein Duell zwischen den beiden birgt weit mehr Sprengkraft als der Zweikampf mit Jenson Button. Alonso war im Vorjahr der Einzige gewesen, der im Saisonfinale in Abu Dhabi den Titel aus eigener Kraft hätte erringen können – und ihn gegen Sebastian Vettel verlor. Im ersten Frust hatte er nicht gratuliert. Zuvor schon, in Singapur, hatten die beiden sich das ganze Rennen lang gejagt. Kaum eine Sekunde hatte sie getrennt. Alonso hatte die Abwehrschlacht gewonnen. In Monza hatte er 2011 dagegen alt ausgesehen, als sich Vettel an ihm vorbeigepresst hatte, in einer extrem schnellen Passage. Beim Schwungholen war Sebastian Vettel kurz neben die Strecke geraten, sodass es mächtig staubte. Das Manöver hatte ihm den Sieg gebracht, und als er Alonso in dem Raum, in dem sich die Fahrer vor der Siegerehrung den Schweiß von der Stirn wischen dürfen, die halsbrecherische Aktion geschildert hatte, hatte der sich recht brüsk abgewandt. In gewisser Weise ist Fernando Alonso wie Sebastian Vettel: Der Sohn eines Sprengmeisters aus Oviedo ist häufig der Jüngste gewesen, auch, als es darum ging, in der Formel 1 ein Rennen und den Titel zu gewinnen. Er ist ein Alphatier, einer, der über sich selbst sagt: »Wenn ich zum Parkplatz gehe und jemand ist vor mir, muss ich ihn überholen.« Am Ende der Saison wird er auch der Einzige sein, der Sebastian Vettel über die Medien vergiftete Neujahrsgrüße zukommen lässt: Der Deutsche sei für sein Alter ja recht erfolgreich. So aggressiv und fokussiert wie Lewis Hamilton und er selbst aber sei er noch nicht.
Es ist Rennfahrern nicht egal, wer im Auto vor oder hinter ihnen sitzt. Sie wittern instinktiv, ob es ein Gegner ist, von dem über ein Rennen hinaus Gefahr ausgeht oder nicht. Entsprechend begegnen sie ihm. Michael Schumacher spürte das bei seinem Debüt 1991 in Spa-Francorchamps. Nachdem er im Training Alain Prost ungeduldig signalisiert hatte, er halte ihn auf, nachdem er den nicht besonders berauschenden Rennwagen von Benetton auf den siebten Startplatz gestellt und im Rennen bis zum Ausfall wegen eines Kupplungsschadens, einen halben Kilometer nach dem Start, bereits zwei Konkurrenten überholt hatte, wurde ihm von den Rivalen nicht gerade Wärme entgegengebracht. Wie beim Fußball gibt es auch beim Rennfahren grobe Fouls – und es gibt Nickligkeit, Manöver, die wehtun, die die Zuschauer aber nicht sehen und die Regelhüter
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