Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
unterschiedliche Welten aufeinandertreffen und zu erkennen ist, wie stark sich einer verändert hat. Oder auch nicht. Boris Becker wurde nach seinem ersten Wimbledon-Erfolg durch seinen Heimatort Leimen chauffiert. Der offene Geländewagen. Die begeisterte Menschenmenge. Aus der Ferne betrachtet, sah es fast so aus, als sei der Papst im Papamobil gekommen. Aber an Beckers Gesicht war zu erkennen, dass das vielleicht doch ein wenig viel war für einen 17-Jährigen. Basketballprofi Dirk Nowitzki wurde nach seiner Meisterschaft mit den Dallas Mavericks in Würzburg empfangen, in der barocken Residenz. Der ausladende Stuck, der prachtvolle Hintergrund – das sah toll aus, aber es passte nicht so recht zu dem unprätentiösen Hauptdarsteller. Sebastian Vettel hat bei seinen Auftritten in der Heimat immer mitgeredet. Sie waren ihm wichtig. Am deutlichsten war das beim ersten zu spüren, im Juli 2010, kurz vor dem Deutschland-Grand-Prix im nahen Hockenheim. Sebastian Vettel hatte sein Formel-1-Auto mitgebracht. Es war ein Sonntag, und schon bevor die Kirchenglocken läuteten, wurde der lärmende Bolide angelassen, und Sebastian Vettel drehte im Morgendunst einige Runden. Es ging um Bilder für seinen Sponsor, aber nicht nur das. Ihm selbst ging es mit dem Getöse auch darum, so viele Menschen wie möglich zu locken. Er hatte Angst, dass nicht genügend Leute kommen würden. Eine unbegründete Sorge. Als es am Nachmittag so weit war, stauten sich an der nahe gelegenen Autobahnabfahrt die Wagen, Zehntausende strömten an die abgesperrte Strecke. Die Fans kletterten auf Bäume, Bushäuschen, Plakatwände, um einen Blick zu erhaschen. Es war ein Anlass, der tatsächlich Jung und Alt zusammenbrachte. Am Altersheim hing eine Grußbotschaft, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe: »Die Bewohner von St. Katharina grüßen Sebastian Vettel!« Bei der Gelegenheit trug er sich auch ins Goldene Buch der Stadt ein; allerdings hatte es dazu einiger Aufforderungen bedurft. Sebastian Vettel war ein wenig indigniert, weil die Stadtpolitiker ihn erst wahrgenommen hatten, als er in der Formel 1 angekommen war. So aufgeregt und selig wie an jenem Tag war Sebastian Vettel vorher selten zu erleben und nachher nicht so schnell wieder. Warum? »Man ist auf der ganzen Welt unterwegs, aber nach Hause zu kommen, ist etwas ganz Besonderes«, sagt er.
Karrierewege
Die Frage, wo einer herkommt, ist immer spannend. Bei herausragenden Sportlern aber hat das Thema eine besondere Dimension. Wie wurde einer, was er ist? Wurde ihm das Talent in die Wiege gelegt? Oder hat er sich den Erfolg hart erarbeitet? Zeichnete sich früh ab, dass da eine besondere Größe reift? Oder war erst ein Rückschlag die Initialzündung? Geschichten von erfolgreichen Sportlern sind immer auch Geschichten, die zum Träumen anregen. Oder zum Nachdenken. Hätte ich das auch gekonnt? Hätte ich das auch so gemacht? Als Richard Williams, der Vater der beiden Tennisspielerinnen Serena und Venus Williams, eines Tages im Fernsehen sah, wie der Siegerin eines Frauen-Tennisturniers ein Scheck überreicht wurde, der höher war als sein Jahresgehalt, wandte er sich an seine Frau und sagte: Lass uns noch zwei Töchter zeugen und sie zu Tennisprofis erziehen! Mike Agassi, der Vater von Andre Agassi, hängte schon ein spezielles Mobile über die Wiege seines Sohnes, um dessen Hand-Auge-Koordination zu trainieren. Yuri Scharapow, der Vater von Maria Scharapowa, wanderte mit seiner Tochter von Russland in die USA aus, weg von Freunden und Familie, mit gerade einmal 500 Dollar in der Tasche. Da war seine Tochter zwölf. Martina Hingis wurde von ihrer Mutter nach einem großen Vorbild benannte: nach Martina Navratilova. Auch für Lewis Hamilton war früh eine Sportlerkarriere geplant: Er ist nach dem US -Leichtathleten Carl Lewis benannt. Tiger Woods wurde von seinem Vater schon mit zwei Jahren auf den Golfplatz geführt. Aus Zufall wächst selten Außergewöhnliches. Oder doch?
Der Einstieg
Sebastian Vettel kommt eher zufällig zum Motorsport. Eine Nähe gab es, das schon. Als 19-Jähriger bestritt sein Vater Klubsportrallyes. Später dann Bergrennen, in einem VW Golf. Aber das war bloß ein Hobby. Wenn die Formel 1 fuhr, lief sonntags der Fernseher. Aber solange er noch klein war, schlief Sebastian Vettel nach dem Start regelmäßig ein. Als er drei Jahre alt war, geriet die Familie im Urlaub auf eine Kartbahn und hatte dort so viel Spaß, dass der Vater entschied: »So ein Flitzer kommt
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