Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Vater, Mutter, die zwei älteren Schwestern – da ist viel Gemeinsamkeit auf engem Raum. Die Ergebnisse auf der Rennstrecke werden zum Gradmesser, aber nicht zum einzigen. Vor und nach dem Gegeneinander spielen die Kinder miteinander. Fußball, Verstecken, später Flaschendrehen. Es gibt trübere Kindheiten. Diese Zeit ist in vielem eine Lehrzeit, eine Erfahrung aber wird besonders lange nachhallen: Wenn die anderen schneller sind, weil sie besseres Material haben. Einen professionellen Mechaniker können sich die Vettels nicht leisten. Der Vater legt Hand an. Norbert Vettel ist ein Tüftler, er gibt sich viel Mühe. Mit kleinen Bleigewichten versucht er, das Gefährt seines Sohnes besonders gut auszubalancieren. Aber manchmal reicht das nicht. Manchmal wird Sebastian Vettel auf der Geraden einfach abgehängt. Und manchmal bekommt das Kart danach einen wütenden Tritt. In solchen Momenten nimmt der Vater sich den Sohn zur Brust. So nicht! Wir haben, was wir haben! Mach’ das Beste draus! Es sind einfache Lektionen, die das Improvisieren fördern. Mehr als einmal droht der Karriere das Ende, noch bevor sie wirklich begonnen hat.
Gesetz des Geldes
Seit der Sport ein Geschäft geworden ist, sind erfolgreiche Sportlerkarrieren häufig Geschichten über gesellschaftliche Aufsteiger. Das war nicht immer so. Im Gegenteil. Es gab Zeiten, in denen konnten es im Sport nur diejenigen zu etwas bringen, die nicht nötig hatten, dass ihnen das auch etwas einbrachte. In den olympischen Sportarten war das bis Ende der siebziger Jahre so. So lange wurden Profis ausgesperrt. Sport ist gut, aber er soll bloß ein Teil der Erziehung sein, und deshalb ist nur Amateursport guter Sport: So sah das Pierre de Coubertin, der in diesem Punkt vom Ethos der englischen Privatschulen inspirierte Gründer der olympischen Bewegung der Neuzeit.
Ein Gedanke, der bald schon absurde Folgen zeigte: So durften bei den Winterspielen 1936 die besten österreichischen und Schweizer Skifahrer nicht mitwirken, weil sie Skilehrer waren – und folglich mit ihrem Sport auch Geld verdienten. Noch 1972 wurde Karl Schranz, der bekannteste Skifahrer Österreichs, von den Spielen in Sapporo ausgeschlossen. Seine Verfehlung: Bei einem Benefiz-Fußballspiel hatte er ein Fußballtrikot mit Kaffee-Werbung auf der Brust getragen. Davon gab es ein Foto, und als das Avery Brundage sah, der vom Amateurgedanken beseelte Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, schickte er Schranz aus Japan nach Hause. Dass er bei der Rückkehr nach Wien vom Bundeskanzler empfangen wurde und vom Balkon des Kanzleramts die hunderttausend Menschen grüßen durfte, die ihm einen heroischen Empfang bereiteten, brachte Schranz da auch nur noch wenig. Im Motorsport galten solche Regeln nie. Aber dort gilt heute noch ein ganz anderes, viel rigideres Gesetz: das des Geldes. Motorsport ist teuer. Wer es zu etwas bringen will, muss Geld haben – oder welches besorgen.
Der erste Förderer
1997 haben die Vettels dabei ein Schlüsselerlebnis: Gerhard Noack wird auf Sebastian Vettel aufmerksam. Noack ist ein einflussreicher Mann im deutschen Kartsport, und wie es dazu kam, ist ein wenig kurios. Als junger Mann wollte er selbst fahren. Also kaufte er sich ein Kart. In dem aber wurde er schnell von einem anderen abgehängt, einem Jüngeren, Talentierteren, der allerdings nicht genügend Geld hatte, um weiterzukommen. Es wäre schade, wenn er seine Karriere aufgeben müsste, dachte Noack und bot seine Hilfe an. Der Name des Talents? Michael Schumacher. Noack wurde zu einer wichtigen Figur auf dem Erftlandring, jener nur gut einen Kilometer langen Kartbahn in einer ehemaligen Kiesgrube im Kerpener Stadtteil Manheim, die die Eltern Schumacher gepachtet hatten, wo der Vater Karts verlieh und die Mutter den Imbiss schmiss, wo auch Nick Heidfeld und Ralf Schumacher ihre ersten Runden drehten. Präsident des Kartklubs, Karthändler – die Geschäftsräume direkt neben der kleinen Rennstrecke: Die Vettels sind Kunden bei Noack. Und sie fallen ihm auf. Das eine berauschende Rennen, das eine unglaubliche Überholmanöver – das gibt es nicht. Es sind viele Details, die Noack beeindrucken. Zu ihnen gehört auch das Auftreten: leise, freundlich. Keine Gernegroß. Das gefällt ihm. Er fühlt sich an Michael Schumacher erinnert und bietet seine Hilfe an.
An vielen Sportplätzen gibt es Goldsucher: Agenten, Talentspäher, Kontaktehändler, Manager. Die meisten suchen immer neue Klienten, versprechen
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