Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
ins Haus.« Zwei PS , Einrad-Antrieb. Eigentlich stand das Spielzeug den beiden älteren Schwestern zu, aber der kleine Sebastian klammerte sich so fest ans Lenkrad, dass sie bald aufgaben. Der größte Spaß? Wenn die Hinterräder ins Rutschen kamen, das Heck so richtig wild um die im Hof des Elternhauses aufgestellten Pylonen schleuderte. Damit das leichter ging, wurden viele Eimer Wasser geschleppt. Ganz nebenbei reifte so das besondere Fahrtalent im Nassen. »Mose«: Es gibt schlimmere Spitznamen. Einige Zeit blieb es ein Kinderspiel. Im Alter von fünf Jahren übte Sebastian Vettel zum ersten Mal auf einer echten Rennstrecke. In Baarlo in den Niederlanden, drei Stunden entfernt. Dass es regnete? Egal!
Sebastian Vettel ist keineswegs der Einzige, der so jung begann. Fernando Alonso startet auch mit drei Jahren; er ist damals noch so klein, dass er Hölzchen unter den Füßen braucht, um die Pedale zu erreichen. Lewis Hamilton ist sechs, als sein Vater entscheidet: So geht es mit dem hyperaktiven Kind nicht weiter, und entdeckt, wo der Junge seine Energie am besten und am liebsten abbauen kann – beim Kart-Fahren. In Windeseile wenige Zentimeter über den Asphalt sitzend durch Kurven hetzen, mit quietschenden Reifen, auf sich allein gestellt – den Eltern einfach davonfahren: Es gibt viele Kinder, auf die das einen Reiz ausübt. Aber nicht alle streben tatsächlich eine Karriere im Motorsport an. Die nächste Hürde ist gleich eine große: Sich mit anderen messen, Rennen bestreiten. Wie hoch diese Hürde sein kann, erfahren die Vettels am 25. März 1995, als sie nach Walldorf kommen, nur eine halbe Stunde von Heppenheim entfernt, gar nicht weit weg vom Hockenheimring. Dort soll Sebastian Vettel sein erstes Rennen bestreiten. Recht blauäugig sind sie aufgebrochen, haben das Kart eingepackt und vier Reifen. Als sie sehen, was die Rivalen alles auspacken, staunen sie nicht schlecht: Sie sehen mächtige Zelte, unglaublich viele Ersatzteile. Und dann laufen die Konkurrenten auch noch in Teamkleidung durchs Fahrerlager. So viel Professionalität hatten sie nicht erwartet. »Bambini« heißt die Klasse, in der Sebastian Vettel antreten darf. Das klingt spielerisch, kindlich, harmlos. Aber wenn die Motoren aufheulen, das merken die Vettels schnell, geht es ganz anders zu. »Wir waren Außenseiter«, wird sich Sebastian Vettel später einmal erinnern, »aber Rennen für Rennen haben wir bewiesen, dass wir dazugehören.« Noch im selben Jahr glückt der erste Sieg. In Wittgenborn, auf dem Vogelsbergring, zwischen Frankfurt und Fulda. Aber selbst dieses Erlebnis hält nicht, was Sebastian Vettel sich von ihm versprochen hat: Im Fernsehen hat er gesehen, dass den Siegern Lorbeerkränze umgehängt werden. Und er bekommt bloß einen Pokal. Erst will er ihn gar nicht mit nach Hause nehmen. Eine Einstellung, die sich allerdings schnell ändert. In der Formel 1 wird er später nicht nur auf die Pokale achten, die er gewinnt, er wird auch Helme, Champagnerflaschen, ja sogar Kappen sammeln. »Etwas mitnehmen zu können, das bedeutet mir sehr viel«, sagt Sebastian Vettel. Es ist ein Faible, für das es mehrere Gründe gibt: Einerseits sind die Utensilien Bestätigung, das Ziel erreicht zu haben, andererseits sollen sie als Mahnung dienen – das Siegen soll nie zur Selbstverständlichkeit werden. Nach seinem ersten Formel-1-Titel stellt er die Kopie des WM -Pokals in der Winterpause mitten auf den Küchentisch, um ihn immer im Blick zu haben.
Tingeltour
Die erste Kart-Saison kostet 5000 Mark. Die bringen die Eltern komplett auf. Das Geld ist von Anfang an ein Thema. Als er neun ist, läuft Sebastian Vettel bei der Motorshow in Essen, dem großen Branchentreffen zu Winterbeginn, im Rennoverall von Stand zu Stand und bittet um Unterstützung. Auf der Runde lernt er bittere Vokabeln: »Unser Budget ist schon verplant!« Auch der Vater müht sich. Und irgendwann sagt tatsächlich ein Alufelgen-Hersteller »Ja«: 10000 Mark. Die Vettels investieren sie in einen Anhänger, mit dem sie das Kart transportieren und den sie hinten ans Wohnmobil hängen. Andere fahren einmal im Jahr in Urlaub. Sie fahren zu immer neuen Rennstrecken. Damit die Familie nicht allzusehr auseinandergerissen wird, tingelt sie gemeinsam dem Hobby des Sohnes hinterher. An den Wochenenden führt sie jetzt ein Schaustellerleben. Alles hat etwas Vorläufiges, Flüchtiges. Sicherheiten gibt es nicht, nur dünne Wände. Aber das wird nicht als Belastung empfunden.
Weitere Kostenlose Bücher