Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Melbourne einen Auffahrunfall. Sein Rennwagen stieg wie eine Rakete auf; ein davonfliegender Reifen erschlug einen Streckenposten. Im Jahr darauf flog auf demselben Kurs Ralf Schumacher unmittelbar nach dem Start in einem hohen Bogen über den Ferrari von Rubens Barrichello. Im Jahr 2003 war es der spätere Weltmeister Fernando Alonso, der den Zuschauern den Atem stocken ließ. In São Paulo kollidierte er mit einem Reifen, der bei einem Unfall von einem anderen Auto abgerissen worden war, und schleuderte so heftig gegen die Reifenstapel, dass sein Kohlefasersitz brach. 2004 und 2005 krachte Ralf Schumacher jeweils in der überhöhten Hochgeschwindigkeitskurve des Speedway von Indianapolis gewaltig gegen die Mauer. Am 10. Juni 2007 erwischt es auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal Robert Kubica. In Runde 27 will der BMW -Fahrer sich am Toyota von Jarno Trulli vorbeischieben. Die Stelle, die er für den Angriff wählt, ist gewagt: An ihr sind die Piloten im siebten Gang unterwegs und treten das Gaspedal voll durch. Mit 280 km/h fährt Kubica rechts neben Trulli. Dann ereignet sich etwas Fatales: Sein Frontflügel berührt das rechte Hinterrad des Toyotas. Ein Teil des Flügels bricht ab. Das Fahrverhalten des Autos ändert sich schlagartig. Kubica kommt von der Strecke ab, gerät nach rechts auf das Gras, das nicht eben ist. Von einer Bodenwelle wird der BMW in die Luft katapultiert. Die nächste Mauer ist nah. Möglichkeiten zu reagieren, hat Kubica keine mehr. Er kann nur noch das Lenkrad loslassen und die Hände an die Brust drücken. In einem Winkel von etwa 30 Grad schlägt das Auto in der Mauer ein, immer noch rund 230 km/h schnell. Die Auswertung des seit 1999 vorgeschriebenen Unfallschreibers wird später ergeben: Im Moment des Aufpralls wirkt eine Verzögerung von mehr als 28 g – das ist ungefähr das Doppelte der Kraft, mit der sich Kampfjet-Piloten im Notfall mit dem Schleudersitz aus dem Cockpit schießen. Es bleibt nicht bei diesem einen Einschlag. Das Wrack schleudert weiter, zurück auf die Strecke, wo es aufspringt und sich überschlägt. Die Wucht, mit der es auf der anderen Seite der Fahrbahn einschlägt, ist immer noch so groß, dass die Leitplanken tief eingedellt werden. Die Kohlefaserzelle, in die Kubica geschnallt ist, bleibt auf der rechten Seite liegen. Sie ist gebrochen. An der Spitze schauen seine Füße heraus. Der Anblick ist schockierend. Kein Wunder, dass die Kollegen, die hinter dem Safety Car einen Weg durch das Trümmerfeld finden müssen, das Bild lieber meiden. Nico Rosberg schaut beim Passieren der Unfallstelle demonstrativ weg. Jarno Trulli ist so durcheinander, dass er sich nicht mehr konzentrieren kann und wenig später von der Strecke rutscht. Eine Stunde lang schließt er sich in seinen Ruheraum ein. Dr. Ronald Denis, Chef der Notaufnahme des Krankenhauses Sacré-Cœur, rückt mit zur Bergung aus. »Als ich den Unfall sah, dachte ich, dass er sicher tot sei«, sagt der Arzt später. Aber der Havarierte atmet und redet. Die rigiden Crashtests, das Head and Neck Support System HANS – eine Halsmannschette, die den Kopf am Herumschleudern hindert – und eine dicke Schicht viel Energie absorbierenden Schaums, mit der die Cockpits gepolstert sein müssen, haben Robert Kubica das Leben gerettet. Im Streckenhospital wird er untersucht. Nach einer halben Stunde kommt die Nachricht: Er ist bei Bewusstsein, sein Zustand ist stabil. Per Helikopter wird Kubica ins Hôpital du Sacré-Cœur gebracht. Dort zeigt sich, dass er keine inneren Verletzung davongetragen hat. Lediglich eine leichte Gehirnerschütterung. Und das rechte Sprunggelenk ist geprellt. Am Abend empfängt er schon Besuch: Jarno Trulli, Peter Sauber und BMW -Sportchef Mario Theissen. Von ihm will er vor allem eines wissen: Wie lief der zweite BMW mit Nick Heidfeld am Steuer? Noch am Krankenbett verlängert Theissen daraufhin Kubicas Vertrag. Sebastian Vettel hat den Unfall in der Box erlebt. Wie alle Zuschauer ist er geschockt. Als klar ist, dass Kubica überlebt hat, und sich die Anspannung langsam löst, klopft ihm einer auf die Schulter und meint: »Nächste Woche fährst wohl du.« Erst in dem Moment realisiert er, was das Unglück des Kollegen ihm bringen könnte.
Einstiegshürden
Die Formel-1-Historie kennt einige ungewöhnliche Einstiegsgeschichten. Niki Lauda beispielsweise hatte für das Jahr 1972 einen Vertrag mit dem Rennstall March, der vorsah, dass er einen Sponsor mitbrachte, der dem Team
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