Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
demütigen, immer zeigen, dass er viel besser ist als ich«, hat Prost später über das Gegeneinander gesagt. Ohne Prost hätte der Weg für Senna frei sein sollen. Vier Titel hatte Prost gesammelt, Senna kam bis 1994 schon auf drei. Mehr wurden es nicht, weil sein Williams beim Großen Preis von San Marino am 1. Mai 1994 in der Tamburello-Kurve, einem extrem schnellen Linksknick, von der Strecke in Imola abkam und so gut wie ungebremst gegen eine Mauer prallte, das rechte Vorderrad abbrach und sich eine Strebe der Radaufhängung durch den Helm bohrte. Senna wurde nur 34 Jahre alt.
Das Rennen und den WM -Titel in jenem Jahr gewann einer, der die nächste Ära prägen sollte: Michael Schumacher. Seine Motivation speiste sich aus einer anderen Quelle. So emsig wie keiner zuvor trainierte, tüftelte und testete er. Weiter, immer weiter, auch nach dem dritten, dem vierten, dem fünften Titel noch. Disziplin – das war das Schlüsselwort für sein Erfolgsstreben. Wo es wurzelte, erklärt am besten Michael Schumachers Biographie: Er stammte aus wirklich bescheidenen Verhältnissen. Damit er sein Talent ausleben konnte, musste Schumacher die Familie früh verlassen. Als Teenager zog er zu Förderern, mit denen er an den Wochenenden von Rennstrecke zu Rennstrecke reiste. Früh reifte in ihm so ein besonderes Verantwortungsbewusstsein: Einerseits auf sich alleine gestellt, andererseits stets auf Hilfe angewiesen. Seine Reaktion darauf? Der Wille, immer alles zu geben. Schon montags grübelte er, welche Reifen am Sonntag vielleicht die besten sein könnten. Und auch wenn es anders kam: Aufgeben gab es nicht. Es sollte ihm ja bloß nie einer vorwerfen können, nicht alles gegeben zu haben. So formte sich ein Muster, das er lange nicht loswurde, auch nach sieben WM -Titeln nicht.
Bei Sebastian Vettel ist es ähnlich. Und doch anders. 18 von 20 Rennen gewonnen. Red Bull und BMW an der Seite. Den nächsten Aufstieg vor Augen. Andere hätten den Triumph genutzt, um ihr Selbstvertrauen an ihm emporranken zu lassen. Sebastian Vettel tat das nicht. Statt sich den achtzehn tollen Momenten hinzugeben, grübelte er: Woran hat es bei den anderen beiden gelegen? Sich mit dem, was ist, nicht abfinden – diesen Charakterzug hat auch er. Aber anders als bei Senna ist es kein gerichteter Ehrgeiz, und anders als bei Schumacher ist es auch keiner, der sich aus einem Kindheitsmuster speist. Es ist ein gelerntes Verhalten, die Imitation eines Erfolgsmodells, das er sogar noch perfektioniert hat. Kein Sportler beginnt wirklich bei null. Wie in jedem anderen Beruf steht jeder in einer Reihe, baut auf dem auf, was andere vorher schon als falsch oder richtig herausgefunden haben. Michael Schumacher war mit seiner Hingabe ein Vorbild für Sebastian Vettel. Außerdem lernte dieser früh: Auch wenn er nicht immer das beste Material hatte, so hatte er meist doch das Zeug zum Gewinnen. Klappte dies nicht, musste es eine Erklärung geben, eine Lösung für das Rätsel. Selbst in Situationen, in denen auf den ersten Blick schlicht Pech im Spiel war. Bei einer Kollision im Startgetümmel zum Beispiel. Sebastian Vettel aber lässt Pech als Erklärung nicht gelten. Wäre ich mit einem besseren Start vielleicht gar nicht in die Situation geraten? Hätte eine kleine Lenkbewegung nach links oder nach rechts etwas verändert? Erst wenn er alles verstanden hat, kann er Ruhe geben. Es ist ein Zug, den die Generationen vor ihm nicht hatten. Nicht haben konnten, weil damals noch nicht so viele Daten gesammelt wurden.
MÄNNERTRÄUME
Ein kapitaler Crash
Der Große Preis von Kanada auf dem Circuit Gilles Villeneuve auf der Île Notre-Dame in Montreal ist ein hartes Rennen. 70 Runden. Die Geraden sind lang und gesäumt von dicken Mauern, die an einigen Stellen gefährlich nahe an der Piste stehen. Mutige Piloten flirten mit der Gefahr und lassen ihre Reifen mancherorts den Beton berühren. Geht es gut, sind sie die Helden. Geht es schief, sehen sie doof aus. Wagemut und Übermut, Glück und Unglück – auf wenigen Pisten liegen die Pole ähnlich nahe beieinander. Die Sicherheit ist trotzdem auch hier selten ein Thema. Die Formel 1 ist sicher geworden – so sieht es das Publikum, so sehen es die Akteure. Seit Ayrton Sennas Tod 1994 ist kein Fahrer mehr bei den Rennen ums Leben gekommen. Dabei gab es haarsträubende Unfälle. Viele sogar. Zwischen 2001 und 2007 gab es jedes Jahr mindestens einen: 2001 verursachte Jacques Villeneuve beim Saisonauftakt in
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