Polgara die Zauberin
verzehrender Trunkenbold mit kaum erwähnenswerten geistigen Fähigkeiten. Wie viele andere, wahrhaft dumme Menschen, hielt auch er sich für den Allerklügsten. Ich stand vor einem ernsten Problem.
Der berauschte kleine Oldoran rief nach immer mehr Wein, und zu guter Letzt verlor er die Besinnung.
»Es scheint als sei unser geliebter Herzog ein klein wenig indisponiert«, bemerkte ein älterer Höfling mit schneeweißem Haar, aber erstaunlich jugendlichen Augen in staubtrockenem Ton. »Wie, Mylords und Myladys, glaubt Ihr, sollen wir diesem Umstand Rechnung tragen? Sollten wir ihn zu Bett bringen? Sollten wir ihn in jenen Fischteich im Garten tauchen, bis er das Bewußtsein wiedererlangt? Oder sollten wir uns vielleicht an einen anderen Ort vertagen, wo unsere lärmende Feier sein Schnarchen nicht stört?« Er verbeugte sich ironisch vor der lachenden Menge. »Ich lasse mich in dieser Frage ganz von der versammelten Weisheit des Hofs leiten. Was sagt Ihr, edle Gäste?«
»Ich persönlich wäre für den Fischteich«, äußerte sich eine matronenhafte Dame.
»Oh, liebe Baronin, nein!« widersprach eine hübsche junge Dame mit dunklem Haar und boshaft glitzernden Augen. »Denkt doch an den armen Karpfen, der dort lebt!«
»Wenn wir Oldoran in sein Bett schmeißen wollen, sollten wir ihn zuvor auswringen, Mylord Mangaran«, brüllte ein halbtrunkener Höfling dem hintersinnigen alten Adeligen zu. »Die kleine Ratte hat so viel Wein intus, daß er schon fast schwimmt.«
»Ja«, murmelte Lord Mangaran, »das ist mir auch nicht entgangen. Seine Gnaden hat für jemand von so kleinem Wuchs ein erstaunliches Fassungsvermögen.«
Dann nahm die hübsche Dame mit den boshaften Augen eine dramatische Pose ein. »Mylords und Myladys«, deklamierte sie, »ich schlage eine Schweigeminute für unseren armen kleinen Oldoran vor. Dann überlassen wir ihn am besten den fähigen Händen Graf Mangarans, der dieses verantwortungsvolle Amt schon so oft inne hatte, daß er unseres Rates wahrlich nicht bedarf. Und dann, nachdem seine Gnaden ausgewrungen und ins Bett geschüttet wurde, sollten wir auf die glückliche Fügung anstoßen, die ihn aus unserer Mitte entfernt hat.«
Sie neigten alle das Haupt, aber die ›Schweigeminute‹ wurde durch aufkommendes, verhalten unterdrücktes Gelächter verdorben.
Ich bin mir bewußt, daß das, was ich hier niederschreibe, Lelldorin, ja in der Tat alle Asturier verletzen muß, aber es ist die Wahrheit. Es bedurfte Jahrhunderte des Leidens, um die rauhen Kanten der grobschlächtigen, gewissenlosen Asturier zu glätten. Das war meine erste Begegnung mit ihnen, und in vieler Hinsicht wirkten sie auf mich fast wie südliche Alorner.
Die junge Dame, die gerade die Schweigeminute vorgeschlagen hatte, preßte sich theatralisch den Handrücken gegen die Stirn. »Man reiche mir noch ein Glas Wein«, forderte sie mit tragischer Stimme. »Das Reden in der Öffentlichkeit erschöpft mich.«
Der Murgo, der sich an Oldorans Seite gehalten hatte, war in der Menge untergetaucht und ließ sich nirgends blicken, als zwei kräftige Fußsoldaten den schnarchenden Herzog von seinem Thron hoben und aus der Halle trugen.
Ich zog mich in einen kleinen Alkoven zurück, um die Lage zu überdenken. Mein ursprünglicher Plan war es gewesen, den hiesigen Murgo vor dem Herzog bloßzustellen und ihn die Angelegenheit beenden zu lassen. Doch Oldoran besaß nicht Kathandrions Klasse, und ich habe im Laufe der Jahre beobachtet, daß dumme Menschen selten ihre Meinung ändern. An diesem Punkt angekommen, nahm ich zu glasklarer Logik Zuflucht. Wenn Oldoran sich als untauglich für meine Zwecke erwies, wäre es das Einfachste, ihn durch jemanden zu ersetzen, der diese Voraussetzung erfüllte.
Je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Idee. Damit würde der Murgo nicht rechnen. Mein Vater und Onkel Beldin hatten mir den angarakanischen Charakter bei vielen Gelegenheiten beschrieben. Angarakaner sind von Natur aus unfähig, Autorität gleich welcher Art in Frage zu stellen. Das Wort ›Revolution‹ existiert in ihrem Sprachschatz einfach nicht.
Die Vorgehensweise, die ich in Erwägung zog, war gewiß nicht neu. Die arendische Geschichte ist voll von Berichten über ein Phänomen, das man gemeinhin Palastrevolution nennt, kleinere Unruhen, die für gewöhnlich den Tod des Amtsinhabers zur Folge haben. Ich gedachte hier nicht so weit zu gehen, aber ich wollte Oldoran vom Thron haben. Was ich an jenem Abend gesehen und
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