Polgara die Zauberin
mich hier oben so beschäftigen lassen, daß ich ihnen nicht mehr auf die Finger schaue. Aber dazu wird es nicht kommen. Mein Haus in Wacune werde ich unter allen Umständen behalten. Sie werden einsehen, daß sie mir nicht so leicht ausweichen können. Laß uns jetzt weiterreiten, Killane. Ich möchte einen Blick auf Erat werfen, bevor ich mich entscheide, was ich zu tun gedenke.«
Erat war, wie sich herausstellte, für einen Regierungssitz völlig ungeeignet. Das nördliche Zentralsendarien hatte über die Jahrhunderte hinweg so oft den Besitzer gewechselt, daß Erat nun ein architektonisches Durcheinander heruntergekommener und nicht zueinander passender Gebäude war. Das Grundproblem jedoch bestand darin, daß Erat am sumpfigen Nordufer des gleichnamigen Sees lag, und was immer man dort bauen würde, käme schließlich doch einem Dorf in den drasnischen Marschen gleich.
Erneut ließ ich mir Flügel wachsen und erkundete die Lage aus der Luft. Die Gegend, die schließlich meine Aufmerksamkeit fesselte, lag am Südufer des Sees, wo ein Fluß von beträchtlicher Breite das Gewässer speiste. Es handelte sich um eine weite, sattgrüne Wiese, die mit dem Fluß als südliche Begrenzung sanft zum Seeufer hin abfiel. Das Flußufer säumten uralte weiße Birken, und steile, bewaldete, dunkelgrüne Berge umschlossen die Wiese auf den beiden anderen Seiten. Im Osten erhob sich das schneebedeckte sendarische Gebirge über diese bewaldeten Vorberge. In der Nähe gab es weder Dörfer noch Straßen, und so war alles frisch und unberührt und schien nur auf meine Hand zu warten, um es zur Vollendung zu führen. Ich könnte den Sonnenaufgang über dem Gebirge und den Sonnenuntergang über dem See beobachten. Ich verliebte mich auf der Stelle.
Der Flecken lag vielleicht achtzehn Meilen nordwestlich des Dorfes Obergralt und ungefähr dreißig Meilen nordöstlich von der Stelle, wo heute das Gehöft eines gutmütigen Mannes namens Faldor steht.
Garion sollte die Gegend recht gut kennen, schließlich ist er dort aufgewachsen.
Killane unterzog die von mir ausgesuchte Gegend einer kritischen Prüfung, ich glaube, um irgend etwas daran auszusetzen zu finden, aber am Ende gab er sich geschlagen, »'s wird geh'n«, räumte er widerwillig ein, »und wie der Zufall so spiel'n tut, ist es eins Eurer eig'nen Güter, so daß Ihr nicht groß feilsch'n müßt, wenn Ihr das Land kauf'n wollt, will ich mal sagen.«
»Es geht? « empörte ich mich.
»Naja – vielleicht 'nen bißchen mehr als geh'n, nehm ich an. Ich werd mal 'nen paar Skizzen zeichn'n, wenn wir Zeit hab'n, will ich mal sagen. Ich seh da drei Bauplätze, wo Ihr Euer Herr'nhaus vielleicht gern hinhab'n woll'n tut. Wenn wir gute Skizzen mach'n, könn'n wir uns den Winter drüber zank'n tun, wenn wir wieder in Wacune sind.«
Ich hatte mich bereits in etwa entschieden, wohin ich mein Haus setzen wollte, aber ich wollte nicht willkürlich erscheinen, und deshalb ließ ich Killane sich mit seinem Skizzenblock amüsieren, während ich die Wiese und die nahen Wälder erkundete.
Es war Spätherbst geworden, als wir nach Vo Wacune zurückkehrten, und mittlerweile waren all meine Vasallen Allerans Aufruf gefolgt und warteten seit nunmehr einem Monat geduldig im Palast.
»Sie sind nicht sehr glücklich, Tante Pol«, warnte Alleran mich vor. »Ihre Familien haben der meinen seit Generationen den Lehnseid geschworen, und jetzt gebe ich sie fort wie einen alten Sattel oder ein aufgetragenes Gewand. Vielleicht möchtest du sie langsam daran gewöhnen.«
»Vielleicht«, entgegnete ich, »aber da oben wird es Veränderungen geben, Alleran – ziemlich grundlegende Veränderungen. Von daher werde ich mich sowieso nicht sehr beliebt machen. Meine Vasallen sind Arender. Ich gehe also davon aus, daß allein die Tatsache, daß ihr neuer Herr eine Frau ist, eine tödliche Beleidigung für sie darstellt. Es dürfte nicht viel Sinn haben, so zu tun, als sei alles eitel Freude, oder?«
»Es ist dein Herzogtum, Tante Pol. Du kannst es so führen, wie es dir paßt. Wann sollen wir die Zeremonie abhalten?«
»Welche Zeremonie?«
»Jeder von ihnen muß dir den Lehnseid schwören, nachdem ich sie von ihrem Eid mir gegenüber entbunden habe.«
»Eine Art Eigentumsübertragung, meinst du?«
»Das ist eine sehr direkte Art, es auszudrücken, Tante Pol« – er überlegte – »trifft es aber ziemlich genau«, fügte er hinzu. »Es soll in meinem Thronsaal stattfinden – falls es dir nichts ausmacht. Nach der
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