Polgara die Zauberin
lausbübischen Grinsen. »Außerdem«, sagte er in gewöhnlicher Sprache, »warum sollt Ihr den ganzen Spaß haben?«
»Du liebe Güte!« seufzte ich.
»Betrüblicherweise entdecke ich einen Makel an diesen Euren Berechnungen, Mylady Polgara«, wandte Lathan ein. »Eure Armee steht zwei harte Tagesritte von hier im Feld, und Ontrose selbst weilt in Eurem Landsitze am Ufer des Sees Erat. Es wird, so dünket mich, manchen Aufschub geben, eh Eure Streitmacht gen Seline zu ziehen vermag.«
»Ich verfüge über gewisse Vorteile, Lathan«, rief ich ihm ins Gedächtnis. »General Halbren, der zweite Befehlshaber meines Kämpen, ist ein unerschütterlicher, praktisch denkender Mann, der zweifellos Truppen über lächerliche zweihundert Meilen zu bewegen versteht. Noch vor Ende des Tages werde ich mit ihm und nicht viel später mit Ontrose sprechen.« Ich starrte wieder auf die Landkarte. »Halbren kann den Marsch schaffen«, entschied ich. »Ich denke, ich werde Ontrose umgehend nach Seline entsenden, um die dortigen Stadtmauern zu verstärken. Eure Armee wird drei Tage nach der meinen eintreffen, und ich möchte sicherstellen, daß wir die Stadt noch halten, wenn Ihr dort ankommt«
»Und dann falle ich Garteon in den ungeschützten Rücken und zermalme ihn an den unnachgiebigen Wällen der Stadt zu Hundefutter«, versprach Lathan mit ausdrucksloser Stimme.
»Ich bin sicher, die Hunde werden das zu schätzen wissen«, erwiderte ich leichthin. » Ihr geht jedoch jetzt unverzüglich zu Bett. Seine Gnaden hier kann den Marschbefehl für Eure Armee erteilen. In spätestens einem Tag habt Ihr sie eingeholt.«
»Ich befehlige die Armee, Euer Gnaden«, widersprach er. »Es ist meine Pflicht, sie anzuführen.«
»Sie kennen den Weg nach Norden, Baron. Dafür brauchen sie nicht Euch als Wegweiser an der Spitze. Gönnt Euch ein wenig Schlaf. Ihr steht kurz davor, zusammenzubrechen.«
»Aber –«
»Kein aber, Lathan! Geht in Euer Zimmer! Sofort!«
»Jawohl, Ma'am«, kapitulierte er.
Mich beschlich ein merkwürdiges, nagendes Gefühl, daß irgend etwas mit Baron Lathan nicht stimmte. Ich wußte, er war erschöpft, aber seine ganze Art wirkte in gewisser Weise eher tot als müde. Ich hatte aber keine Zeit, meinem Verdacht auf den Grund zu gehen. Ich trat auf den Balkon des Gemaches hinaus, in dem wir soeben unsere Besprechung abgehalten hatten, und verwandelte mich in die mittlerweile vertraute Gestalt des Falken.
General Halbren war ein vierschrötiger Mann, der sich hochgedient hatte, und nicht seinen Rang als Zugabe zu einem Adelstitel erhalten hatte. Er war durch und durch Berufskrieger, und ich hegte großen Respekt für ihn. Sorgsam wog er die Nachricht ab, die Baron Lathan aus Asturien gebracht hatte, um dann einige geringfügige Änderungen an meiner geplanten Reaktion auf die drohende asturische Invasion vorzuschlagen. »Es besteht immer die Möglichkeit, daß Herzog Garteon einen Vorstoßtrupp schickt, um Seline einzunehmen, bevor der Hauptteil seines Heeres eintrifft, Euer Gnaden«, stellte er heraus. »Dreißig Meilen pro Tag ist vermutlich das Äußerste, was wir aus unseren Fußsoldaten herausholen können, unsere Kavallerieeinheiten hingegen können größere Entfernungen zurücklegen. Falls Ihr keine Einwände habt, kommandiere ich die Kavallerie ab und schicke sie voraus – für alle Fälle.« Er lächelte flüchtig. »Graf Ontrose ist sehr gut aber Seline ganz allein zu halten, dürfte selbst seine Kräfte übersteigen.«
»Das würden wir doch nicht wollen, nicht wahr, Halbren?« stimmte ich ihm zu. »Ich werde jetzt zu meinem Haus weiterreisen, und ich sage ihm, er soll die Verstärkungen in –«, ich stockte. »In wie vielen Tagen kann er mit ihnen rechnen?«
»Vier, Euer Gnaden. Höchstens fünf. Es wird ein bißchen hart für die Pferde werden, aber bei der Verteidigung von Seline brauchen wir sie nicht, so daß sie sich ausruhen können.«
»Was immer Ihr für angemessen erachtet hochwerter General«, erwiderte ich mit einem übertriebenen Hofknicks.
» Muß das sein, Mylady?« seufzte er.
Ich lachte und entfernte mich ein Stück von dem geordneten Feldlager, um wieder mein Gefieder anzulegen.
Alles in allem war ich nicht unzufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelten. Baron Lathans Mut und Unternehmungsgeist hatten uns gerade genug Spielraum verschafft, um uns auf Garteons geplante Invasion vorbereiten zu können. Ich hatte ausreichend Zeit, um sämtliche Zivilisten in der Gegend zu evakuieren, so daß
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