Polgara die Zauberin
steckte. Ich brauchte eine Zeitlang, aber schließlich fand ich sie.
Sie liegen dreißig Meilen nördlich von Camaar vor Anker.«
»Was?«
»Garteons Flotte bewegt sich nicht von der Stelle, Ontrose. Das Rätsel, das ich vorhin erwähnte, bezieht sich auf das ›warum‹. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, was er im Schilde führt.«
»Seid Ihr sicher?«
»O ja, Ontrose, absolut sicher. Aber ich hielt es für keine gute Idee, hinunterzufliegen und sie zu fragen. Deshalb bin ich hierher gekommen. Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund für eine Seestreitmacht auf diese Weise anzuhalten?«
»Nicht daß ich wüßte, Euer Gnaden.«
»Polgara«, berichtigte ich ihn. »Das ›Euer Gnaden‹ haben wir vor ein paar Tagen hinter uns gebracht, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ich möchte Euch keinesfalls durch unhöfliche Vertraulichkeit kränken«, erläuterte er.
»Es ist die Förmlichkeit, die ich an diesem Punkt unhöflich finde, Schatz«, erklärte ich unumwunden. »Aber darüber können wir uns später streiten. Im Augenblick haben wir dieses Problem, das geradezu nach einer Lösung schreit.«
»Es gibt eine mögliche Antwort, Polgara«, überlegte er.
»Ich bitt Euch, kläret mich auf – oder weiset mir den Weg zu den nächsten Tellern.«
Er lachte. »In der Tat sehe ich keine andere mögliche Lösung. Gewiß liegt die Flotte vor Anker, weil sie auf etwas wartet. Befinden sie sich in Sichtweite des Landes?«
»Nein.«
»Dann würde ich mich zu der Annahme versteigern, daß es kein Signal ist, auf das sie warten.«
»Wahrscheinlich nicht, nein.«
»Dann muß es sich um einen bestimmten Zeitpunkt handeln. Offensichtlich sind sie schneller vorwärtsgekommen als vermutet, so daß sie nun eine Pause einlegen müssen, damit ihr Zeitplan wieder stimmt.«
»Das leuchtet wohl ein, Ontrose. Sie warten auf etwas – sie bummeln nicht einfach herum.«
»Aber dies gibt uns ein weiteres Rätsel auf«, sinnierte er stirnrunzelnd. »Einen bestimmten Zeitpunkt für eine militärische Unternehmung festzusetzen, ist nicht üblich, aber eine solche Vorgehensweise impliziert offenkundig die Notwendigkeit einer Abstimmung – ein Truppenteil greift hier an, während ein anderer gleichzeitig dort angreift. Diese Strategie liegt nahezu jedem Feldzug zugrunde.«
»Das ergibt Sinn, ja.«
»Aber mit wem müssen sie sich abstimmen? Lathan hat uns versichert, daß Garteons gesamte Armee sich im Hafen von Vo Astur eingeschifft hat. Dies vorausgesetzt, wen gibt es in Asturien noch, mit dem man sich abstimmen könnte?«
»Vielleicht eine ausländische Macht?« schlug ich zögernd vor. »Aber weder die Alorner noch die Tolnedrer würden sich in innerarendische Streitigkeiten hineinziehen lassen. Dafür habe ich schon vor Jahrhunderten gesorgt!«
Meinem Kämpen gingen plötzlich die Augen auf. »Unmöglich!« entfuhr es ihm.
»Aber so war es, Liebster«, versicherte ich ihm. »Ran Borune I. und ich haben den Vorduviern, Honetithern und Horbitern vor über hundert Jahren bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren gezogen, damit sie sich nicht in arendische Angelegenheiten einmischen, und mein Vater hat die Alorner fest im Griff.«
»Das meinte ich gar nicht, liebe Polgara«, beteuerte er. »Mir ist nur plötzlich in den Sinn gekommen, daß Baron Lathan nicht eben unbekannt in Arendien ist. Ganz Arendien hat unseren Waffengang auf dem Arendischen Rat verfolgt, als ich das begehrte Amt als Euer Kämpe erringen konnte. Könnte es nicht sein, daß Garteon oder einer seiner Handlanger unseren lieben Freund in Vo Astur beobachtet – und erkannt – und sodann die Einschiffung der asturischen Streitmacht in Szene gesetzt hat, um ihn zu täuschen und seinen Bericht zu verfälschen?«
»Daran hatte ich noch gar nicht gedacht Ontrose«, räumte ich ein. »Nachdem Lathan all jene Truppen im Hafen von Vo Astur hatte an Bord gehen sehen, wäre es ein Leichtes gewesen, die Schiffe zehn Meilen flußabwärts zu segeln und all diese Soldaten an einem menschenleeren Flußufer wieder an Land zu setzen, wo kein Lathan mehr in der Nähe war. Worauf es letzten Endes hinausläuft, liebes Herz, ist, daß wir wissen, daß Garteon eine Armee hat nicht jedoch, wo genau er sie stehen hat.«
»Ich muß zu Pferde!« rief er aus.
»Ontrose, lieber Ontrose, ich wünschte wirklich, Ihr hörtet endlich damit auf. Wohin wollt Ihr denn? Und erzählt mir nicht, Ihr hättet noch immer Angst vor dem, was ich Euch antun könnte.«
»Ich muß sogleich mit Lathan sprechen.
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