Polgara die Zauberin
Schiffe befindet, wer bliebe dann in Asturien noch übrig, der diesen Kalender mit solchem Interesse lesen würde?«
Die Veränderung in Lathans Gesichtsausdruck war so unmerklich, daß sie mir beinah entging. Es war nicht mehr als eine leichte Anspannung um die Augen. »Gib acht Ontrose!« rief ich.
Ganz offensichtlich war Baron Lathan meinem Kämpen zwei Schritte voraus und wußte genau, wohin dieser Gedankengang seinen Freund zu guter Letzt führen würde. Blitzschnell drehte er sich um und ergriff sein Schwert, das auf dem Schemel zu Füßen seines Feldbetts lag. Dann wirbelte er herum und riß noch in der Bewegung sein Schwert hoch, um meinen Geliebten niederzustrecken.
Ich glaube allerdings, daß Ontrose nicht ganz so weit hinter Lathan zurückgeblieben war, wie es vielleicht den Anschein gehabt hatte, denn in demselben Moment, in dem Lathans Schwert zu seinem tödlichen Schlag niedersauste, fuhr Ontroses Schwert zischend aus der Scheide und parierte Lathans Hieb mitten im Schlag.
»Nunmehr ist alles klar, Lathan«, sagte Ontrose betrübt. »Alles, außer dem Warum.«
Lathan schwang erneut sein Schwert, und Ontrose parierte mit Leichtigkeit. Ganz offensichtlich benötigte mein Kämpe keine Hilfe von mir. Ich wich zurück und ging ihnen aus dem Weg.
Das, was nun folgte, würde ich kaum einen fairen Kampf nennen. Lathans einzige Chance hatte in jenem verzweifelten Überraschungsangriff bestanden. Nachdem der gescheitert war, hatte er im Grunde keine Chance mehr. Und mehr noch, seine Miene zeigte überdeutlich, daß er die Niederlage deutlich vor sich sah. Mich beschlich das unangenehme Gefühl, daß es ihm so lieber war.
Es war laut. Ein Kampf mit Breitschwertern ist immer laut. Der Lärm erregte natürlich Aufmerksamkeit. Mein einziger Beitrag zum Geschehen bezog sich auf das Zelt, in dem alles stattfand. Es sah noch immer wie ein Pavillon aus Zeltplanen aus, aber Stahl ist weich im Vergleich zu dem Zelt, nachdem ich es ›modifiziert‹ hatte. Ich sorgte dafür, daß es zu keinen Unterbrechungen kommen würde.
Ein Schwall hellroten Blutes aus Baron Lathans Mund kündigte das Ende des Schwertkampfes an, nachdem mein Kämpe seinen rechten Lungenflügel glatt durchstochen hatte. Lathan bäumte sich auf, ließ sein Schwert fallen und brach schließlich zusammen.
Ontrose weinte, als er neben seinem Freund niederkniete. »Warum, Lathan, warum habt Ihr das getan?«
Lathan spuckte noch mehr Blut, und dieses Symptom zeigte mir, daß er eine tödliche Wunde erhalten hatte und es nichts gab, was ihn hätte retten können. »Um meinem Leid ein Ende zu bereiten, Ontrose«, flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme.
»Leid?«
»Tödliches, unerträgliches Leid, Ontrose. Ich gestehe freimütig – nun, da ich beinahe frei bin –, daß ich unsere Lady Polgara liebte … und noch immer liebe. Auf jenem verfluchten Turnier habt Ihr sie mir entrissen, und von jenem Tage hörte das Herz in meiner Brust auf zu schlagen. Nun lege ich mich freudig zu meinem letzten Schlaf nieder, aber ich werde nicht alleine schlafen. Wacune wird mit mir sterben, Wacune und alles, was ich einst liebte.«
»Was habt Ihr getan, Lathan?« verlangte Ontrose mit entsetzter Stimme zu wissen.
Lathan spie noch mehr Blut. »Ich habe Euch verraten – und ganz Wacune.« Seine Stimme wurde schwächer. »Völlig unbeobachtet begab ich mich nach Asturien und verschwor mich mit Garteon und seinem fremdländischen Berater, dessen Namen ich nicht erfragte.«
»Fremdländisch?« fragte ich scharf.
»Ein Nadraker, wie mich dünkte – oder möglicherweise ein Murgo. Er war es, der den Verrat ersann. Die Flotte, die vor acht Tagen aus Vo Astur auslief, war nichts als eitel Trug – ein Gauklertrick, um Wacune und Erat zu täuschen. Es gibt keine Truppen an Bord jener Schiffe. Garteons Heer wartet in den Wäldern, nicht sechs Meilen von Wacunes Westgrenze entfernt.« Wieder hustete er schwach.
»Wann?« bedrängte ihn Ontrose. »Wann werden sie in Wacune einfallen?«
»Zwei Tage von heut an, Ontrose.« So schwach Baron Lathans Stimme auch war, es schwang ein Hauch von Triumph in ihr mit. »Jener zehnte Tag nach Ablegen der Scheinflotte nimmt eine bedeutende Stelle in Garteons Kalender ein, denn von jenem Tage an wird seine Streitmacht in Wacune einmarschieren, und völlig ungehindert werden sie gegen die Alabasterstadt ziehen, welche ihnen ohnmächtig und schutzlos ausgeliefert ist. Vo Wacune ist dem Untergang geweiht, Ontrose, mein geliebter – mein gehaßter –
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