Polgara die Zauberin
Bring ihn unter die Haube.«
»Wie du meinst Mutter.«
Ich überdachte das Ganze und kam zu dem Ergebnis, daß Geran und ich einen gewissen gesellschaftlichen Rang brauchen würden. Ein reicher Kaufmann wäre aller Voraussicht nach nicht allzu erfreut, seine Tochter an irgendeinen Habenichts vom Land zu verheiraten. Es lag also auf der Hand, daß Geran und ich in die Stadt Sendar reisen mußten. Ich würde ein bißchen Geld brauchen.
Knappe war inzwischen ein betagtes Roß, aber noch immer gesund und munter, auch wenn er ein wenig keuchte, wenn es bergauf ging. Ich ließ Geran eine der kleinen Kutschen in der Remise abstauben und blankwienern, während ich ansehnliche Kleidung für uns in einer robusten Truhe verstaute. Im Spätfrühling des Jahres 4012 machten mein junger Schützling und ich uns auf den Weg durch Sendarien zur Hauptstadt Sendar. Es war eine angenehme Jahreszeit für eine kleine Reise, und da es uns nicht eilte, ließ ich Knappe das Tempo bestimmen. Wir hielten uns in südwestlicher Richtung, und nach wenigen Tagen erreichten wir die Kreuzung, wo sich unsere Landstraße und die kaiserliche Hauptstraße schnitten.
»Wohin, Tante Pol?« fragte mich Geran, der unsere kleine Kutsche lenkte.
»Nach Süden, Geran, auf Medalia zu. Dann werden wir die Straße nach Sendar nehmen.«
»In Ordnung. Vorwärts, Knappe.«
Unser alter Gaul stöhnte und trottete weiter.
Medalia hatte sich in all den Jahrhunderten, seit ich das letzte Mal dort gewesen war, grundlegend verändert. Sendarien war mittlerweile ein friedliches Königreich, und die Verteidigungsmauer, die Medalia zur Zeit meiner Herrschaft umschlossen hatte, war verfallen. Ich mißbilligte das, entschied mich jedoch, kein Aufhebens deswegen zu machen.
Ungefähr eine Woche später erreichten wir Sendar und mieteten Räume in einem gediegenen Gasthof an. Nach dem Abendessen stöberte ich durch unsere Truhe und legte diverse Prunkgewänder und schmückenden Zierat für uns heraus. »Müssen wir uns wirklich so herausputzen, Tante Pol?« erkundigte sich Geran mit einem gewissen Widerwillen. Es war höchste Zeit, ihn vom Land fort und wieder in die Zivilisation zu bringen.
»Ja«, beschied ich ihn mit fester Stimme. »Morgen früh gehen wir in den Palast und ich möchte ungern einen der Dienstboteneingänge benutzen.«
»Werden wir den König sehen?«
»Nein, vermutlich nicht. Unser Ansprechpartner ist der Königliche Schatzmeister. Möglicherweise müssen wir allerdings mit dem König reden, um sicherzustellen, daß man sich unseres Anliegens auch annimmt. Das hängt ganz davon ab, wie stur sich der Schatzmeister stellt.«
»Ich verstehe nicht.«
»Wir brauchen Geld. Ich habe eine Menge davon, und ich habe es hier. Ich muß den Schatzmeister überzeugen, daß ich diejenige bin, die ich zu sein behaupte, und daß das Geld nach Fug und Recht mir gehört.«
»Ist es nicht ein bißchen gefährlich, all sein Geld jemanden anderem anzuvertrauen? Er könnte dich zu betrügen versuchen.«
»Sendarer sind zutiefst rechtschaffene Menschen, Geran. Ich glaube nicht, daß der Schatzmeister mich betrügen möchte – und falls doch, habe ich Mittel und Wege, ihm vor Augen zu führen, daß er einen schwerwiegenden Irrtum begeht«
Und so begaben Prinz Geran und ich uns am nächsten Morgen zum Palast König Falbens von Sendarien beziehungsweise zu jenem solide gebauten Palastflügel, der zur Aufbewahrung des königlichen Schatzes diente. Es gab die übliche Verzögerung, ehe wir in das muffig riechende Amtszimmer des königlichen Schatzmeisters vorgelassen wurden. Im Verlaufe der Jahre ist mir immer wieder aufgefallen, daß alle Menschen, die mit Geld zu tun haben, stets denselben Geruch an sich zu haben scheinen. Geld ist fast immer irgendwo weggeschlossen, und keiner derjenigen, die dafür sorgen, daß es auch dort bleibt, scheint sich je die Mühe zu machen, ein Fenster zu öffnen und einmal richtig durchzulüften.
Baron Stilnan, der königliche Schatzmeister, war ein überaus gewissenhafter Mann, dessen Bürowände vom Boden bis zur Decke mit Bücherschränken zugestellt waren, aus denen ledergebundene Rechnungsbücher quollen. Eine feierliche, geradezu andachtsvolle Stille herrschte in den Amtsräumen des Barons. Das erschien mir insofern angemessen, als Geld tatsächlich eine Art Religion für denjenigen ist, der sein Leben damit zubringt, es zu zählen.
»Ich weiß, daß Eure Zeit knapp bemessen ist Eure Exzellenz«, begann ich, nachdem man Geran und mich in die
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