Polgara die Zauberin
es nur gut, Vater«, versetzte ich leichthin. »Es hält dich in Bewegung, und das hilft gegen Senilität – eine Zeitlang jedenfalls.«
»Was willst du damit sagen, Tante Pol?« erkundigte sich Geran.
»Es ist ein Spiel, das die beiden immer spielen, Geran«, führte Beltira aus. »Es macht sie verlegen zuzugeben, daß sie sich wirklich mögen, und so spielen sie statt dessen dieses Spiel. Es ist ihre Art zu sagen, daß sie sich eigentlich nicht hassen.«
Die Zwillinge haben so liebe, harmlose Gesichter, daß wir dazu neigen zu vergessen, wie weise sie in Wahrheit sind. Beltira hatte unser dummes kleines Spielchen durchschaut, und seine Erklärung war sowohl Vater als auch mir äußerst peinlich.
Glücklicherweise mischte Brand sich an diesem Punkt des Gesprächs ein, um unsere Verlegenheit zu überspielen. »Mir will scheinen, daß unser Prinz sehr begabt ist«, überlegte der rivanische Wächter. »Wir werden diesen wachen Geist schützen müssen.«
»Das ist meine Aufgabe, Brand«, mahnte ich ihn.
»Polgara«, erklang da die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf, »hör ganz genau zu. Der Meister hat dir eine Frage zu stellen.«
Dann spürten wir alle die Anwesenheit des Meisters. Wir konnten ihn nicht sehen, aber wir wußten, er war da. »Nimmst du diese Verantwortung aus freien Stücken auf dich, meine Tochter?« fragte er mich eindringlich.
Dies war die Aufgabe, die ich auf Beldarans Hochzeit angenommen hatte. Damals hatte ich es geschworen, und nichts in den letzten zweitausend Jahren hätte mich dazu bewegen können, meine Meinung zu ändern. An diesem Punkt kam vieles zum Abschluß. In gewissem Sinn waren die beiden Zeitalter, die vergangen waren, seit ich diese Verantwortung auf mich genommen hatte, bloße Vorbereitung gewesen – eine Art Erziehung, wenn ihr so wollt. Nun war ich bereit, Gerans Hüterin und Beschützerin zu sein – ganz gleich, wohin EREIGNISSE ihn oder das Geschlecht, das von ihm abstammen würde, führten. Ich hatte bereits mein Wort gegeben, diese Aufgabe zu übernehmen, aber offenbar verlangte der Meister eine Bestätigung. »Einst nahm ich diese Aufgabe aus freien Stücken auf mich, Meister«, antwortete ich, während ich meine Hand besitzergreifend auf Gerans Schulter legte, »und auch jetzt nehme ich sie aus freien Stücken auf mich. Wahrhaftig, ich will das rivanische Geschlecht so lange hüten und leiten, wie es notwendig ist. Notfalls bis ans Ende der Tage, das gelobe ich.«
Bei diesen Worten spürte ich eine seltsame Art von Sog, und ich schien ein mächtiges Echo zu vernehmen, das von einem sehr fernen Stern widerhallte. Ganz offensichtlich war meine Bekräftigung des früheren Schwurs ein EREIGNIS ersten Ranges. Ich hatte schon zuvor einige bedeutende Dinge getan, aber dieses war das erste Mal, daß die Sterne mir Beifall zollten.
»Also dann«, sagte ich zu meiner ehrfürchtig verstummten Familie, »da wir das geklärt haben: Das Abendessen ist fast fertig. Warum gehen die Herren sich jetzt nicht die Hände waschen, während ich den Tisch decke?«
K APITEL 26
Wenn man es aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, geschah es zwangsläufig, ja sogar instinktiv, daß ich diese Aufgabe auf mich nahm. Meine kleine Epiphanie an Bord jenes Schiffes, das uns von der Insel der Winde fortbrachte, als ich den gramgebeugten Geran getröstet hatte, lag meiner Bereitschaft zugrunde, den Nachkommen meiner Schwester und Riva Eisenfausts den Rest meines Lebens zu widmen. Das Geschlecht war von meinem eigenen Blut – mein Rudel, wenn ihr so wollt –, und die Kinder dieses Geschlechts großzuziehen und zu beschützen, war eine Verpflichtung, die ich auch dann übernommen hätte, wenn der Meister mir nicht dieses feierliche Versprechen abverlangt hätte.
Doch es gab noch einen zweiten, weniger wölfischen Grund für meine Bereitschaft. Ich war der festen Überzeugung, daß Ontroses Tod bestimmte Türen für mich für immer zugeschlagen hätte. Ich war mir sicher, nie zu heiraten und eigene Kinder zu haben. Das Aufziehen der Kinder meiner Schwester würde diese schmerzhafte Leere ausfüllen.
Am nächsten Morgen überfiel mich ein fast unwiderstehlicher Drang, das Tal zu verlassen. Es war, als habe die Erneuerung meines Schwurs ein völlig neues Kapitel in meinem Leben aufgeschlagen, und ich wollte endlich damit anfangen. Im Rückblick muß ich allerdings zugeben, daß meine Motive nicht ganz so ehrenvoll waren. Durch mein Versprechen gehörte Geran mir, und ich wollte ihn ganz für mich
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