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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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sogar gefährlicher als Ctuchik selbst.
    Wenn ich heute auf die frühen Jahre meiner Aufgabe zurückschaue, sehe ich mich gezwungen zuzugeben, daß mein Festhalten an Sendarien und seinen Bewohnern mich zu einem schwerwiegenden Fehlurteil verleitet hat. Ich war nicht bereit gewesen, meine frühere Verantwortung aufzugeben, als ich meine neue übernommen hatte, und deshalb hatte ich es stets vorgezogen, Eisenfausts Erben innerhalb der Grenzen Sendariens zu verstecken. Das hatte die Dinge für Ctuchiks Grolims vereinfacht, indem sie nur auf geringem Raum suchen mußten. Nach einigen Jahren wußten sie, sie müßten nicht in Arendien oder Tolnedra nach mir Ausschau halten, weil ich mich immer in Sendarien aufhielt.
    Vater kurierte mich endgültig von meinem Irrtum, indem er mich aus dem Land, das ich liebte, verbannte. Ich betrachtete die viereinhalb Jahrhunderte, die ich in den alornischen Königreichen zu leben gezwungen war, als eine Zeit des Exils, aber ich lernte während jener scheinbar endlosen Jahre, Staatsgrenzen zu mißachten. Dennoch sehnte ich mich danach, nach Sendarien zurückzukehren. Ich hatte einen großen Teil meines Lebens in dieses Land gesteckt, und obwohl ich die Nation, die aus meinem früheren Herzogtum entstanden war, nicht mehr regierte, hielt ich mich doch immer noch gern in der Nähe auf, um eingreifen zu können, falls ernsthafte Probleme auftreten sollten. Pflichten können manchmal so etwas wie ein altes Paar Schuhe werden. Wir werfen sie nur widerwillig weg, selbst wenn wir neue haben.
    Auch wenn ich mich in Kotu nicht richtig heimisch fühlte, so waren Darion und Selana doch jung und paßten sich rasch an das dortige Leben an. Ihr neugeborener Sohn trug einen drasnischen Namen, sie trugen mittlerweile drasnische Kleidung. Glücklicherweise ist die Gesinnung kein Kleidungsstück. Man kann sie nicht anziehen und wieder ablegen. Tief in ihren Herzen, dort, wo es wirklich zählte, waren Darion und Selana noch immer Sendarer. Darion betrog seine Kunden nicht, und Selana hielt sich fern von den Verleumdungen und dem Tratsch der Nachbarinnen. Mir ist aufgefallen, daß Drasnier großen Wert auf den gesellschaftlichen Rang legen. Dieser Charakterzug hat möglicherweise gar in Dras selbst seinen Ursprung. Stiernacken ließ seine Brüder nie vergessen, daß er Bärenschulters Erstgeborener war. Drasnische Damen pflegen ihre eigene gesellschaftliche Stellung häufig dadurch zu verbessern, daß sie die erste Dame der Gesellschaft schachmatt setzen – für gewöhnlich mit Hilfe gescheiter Lügen über sie. Selana zog es vor, nicht an diesem Gesellschaftsspiel teilzunehmen, und machte das den anderen Damen sehr deutlich. Aus mir unerfindlichen Gründen hat keine unserer Nachbarinnen je versucht, mich mit Klatschgeschichten zu unterhalten. Ist das nicht merkwürdig?
    Seltsamerweise – in Anbetracht der Tatsache, daß dies schließlich Drasnien war – ließ Darions und Selanas streng moralische Haltung sie in der Achtung ihrer Nachbarn höher steigen, als noch so viele Intrigen, Schwindeleien und gehässige Klatschgeschichten es vermocht hätten. Trotz ihres eigenen Verhaltens scheint es, als respektierten die Drasnier Anständigkeit.
    Diese Gedankenverbindung wirft eine interessante Frage auf. Wäre es denn möglich, daß unser vagabundierender Prinz Kheldar, der Dieb, der für jede Stadt der Welt einen gut ausgearbeiteten Fluchtweg parat hat, sich insgeheim seines anstößigen Betragens schämt? Daß tief in seiner niederträchtigen kleinen Seele ein verborgenes Verlangen nach Ehrlichkeit und Anstand schlummert?
    Wenn ich es allerdings recht bedenke: nein, wahrscheinlich nicht.
Jetzt hab ich's dir aber gegeben, Silk, nicht wahr?
Wie dem auch sei, Darion und Selana lebten ihr Leben in Kotu, geachtet und sicher in der guten Meinung ihrer Nachbarn. Khelan, ihr Sohn, wurde als Drasnier erzogen, aber nach unserem obligatorischen ›kleinen Gespräch‹ an seinem achtzehnten Geburtstag wußte er, wer er wirklich war und warum es so lebenswichtig für ihn war, dieses Wissen für sich zu behalten. Ich rechne es ihm als Verdienst an, daß er jene unvermeidliche Frage »Warum hast du mir das nicht früher erzählt?« nicht stellte. Da er dem kulturellen Hintergrund nach Drasnier war, wußte er, daß ich es ihm nicht erzählt hatte, weil er es vorher nicht hätte wissen müssen.
Wir gaben ihn bei einem Schiffsbauer in die Lehre, und er entwickelte sich prächtig. Drasnische Schiffe des fünfundvierzigsten

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