Polgara die Zauberin
Jahrhunderts waren wenig mehr als Küstenfrachtschiffe, die die Handelsrouten im Golf von Cherek befuhren. Sie besaßen ein breites Vorschiff, um möglichst viel Fracht befördern zu können, und schlingerten durch die Wellen wie trächtige Wale. Den cherekischen Kriegsschiffen ähnelten sie nur insofern, als beide Gefährte über Segel verfügten und auf dem Wasser schwammen. Die cherekischen Kriegsschiffe flogen fast vor dem Wind, wohingegen alles, was über eine frische Brise hinausging, einen drasnischen Frachter zum Kentern brachte. Khelan war klug genug, den Grund für diese lästige Neigung herauszufinden. Er setzte sich ein für den Bau längerer Kiele, die seiner Meinung nach verhindern würden, daß die drasnischen Schiffe sich ständig auf die Seite legten. Ich bin mir sicher, daß die drasnischen Kapitäne begriffen, worauf er abzielte, aber sie widersetzten sich seinen Ideen nichtsdestotrotz – wahrscheinlich, weil sie jene seichten, versteckten kleinen Buchten an den Küsten dieser Welt so sehr liebten. Es liegt mir fern zu behaupten, daß alle drasnischen Kapitäne zur See Schmuggler seien. Es muß doch wenigstens ein paar gesetzestreue Drasnier geben, und allein die Tatsache, daß ich persönlich noch nie einem begegnet bin, beweist schließlich nicht daß es nicht irgendwo doch welche gibt.
Mein Geschlecht von Schützlingen – wenn das der richtige Ausdruck ist – lebte und gedieh in Kotu bis zum Ende des fünfundvierzigsten Jahrhunderts. Dann zogen wir nach Boktor. Während dieser langen Jahrhunderte mied ich Hauptstädte für gewöhnlich. Ctuchik vertraute weitgehend auf die Dagashi, und die Dagashi lassen sich rein äußerlich nicht als Murgos erkennen. Sie konnten durch den Westen reisen, ohne wirklich enttarnt zu werden, und der logische Ausgangspunkt für eine Suche ist die Hauptstadt eines jeden Königreichs. Das Problem mit Drasnien besteht darin, daß es dort keine große Auswahl an Städten gibt. Oh, es gibt natürlich ein paar Fischerstädtchen in den Marschen westlich von Boktor, aber ich weigerte mich beharrlich, in diesem stinkenden Sumpf zu leben. Silk hat den westlichen Teil seiner Heimat einmal sein ›liebes altes Schlammloch‹ genannt und das trifft es ganz gut.
Die Moore Ostdrasniens stehen dem in nichts nach. Die Moore sind eine ausgedehnte Ödnis, wo der Winter früh kommt und spät geht. Das Gebiet eignet sich nur zur Aufzucht von Rentieren, dem Haupterwerb der prähistorischen Drasnier. Es war jedoch nicht das Wetter, das mich von Ostdrasnien fernhielt. Die Region grenzt an Gar og Nadrak, und ich habe es nie für klug gehalten, so nah an einem angarakanischen Königreich zu wohnen. Darüber hinaus ist Ostdrasnien die Hochburg des Bärenkults in diesem Königreich. Die Kombination von Abgeschiedenheit und schlechtem Wetter schirmt den Geist der östlichen Bärenkultanhänger erfolgreich gegen solch gefährliche Neuerungen wie Feuer und Rad ab.
Meine kleine Familie lebte ungefähr siebzig Jahre in Boktor, und dann entwurzelte ich sie wieder und brachte sie nach Cherek, wo wir in einem Dorf westlich von Val Alorn lebten. Die Wachstumsperiode so hoch im Norden ist kurz, und die ortsansässigen Männer widmeten sich im Winter dem Holzfällen. In einer Nation von Seefahrern wie der der Chereker bestand immer Bedarf nach mehr Holz, als selbst die fleißigste Landbevölkerung beschaffen konnte. Einer von Eisenfausts Erben, Dariel, entpuppte sich als Erfinder. Nachdem er sich die Mühle vor Ort sehr eingehend betrachtet hatte, wo ein Wasserrad die Energie zum Mahlen des Getreides zu Mehl bereitstellte, erfand er eine Möglichkeit, mit Hilfe eines Wasserrades eine Säge anzutreiben, die rohe Baumstämme zu Balken und Brettern zerkleinerte. Dariel machte ein Vermögen mit dieser Idee, und seine Sägemühle bildete den Grundstock unseres Familienunternehmens für die nächsten zweihundert Jahre. Ich fühlte mich sicher in Cherek, weil die Chereker, die urwüchsigsten aller Alorner, ohne Zögern und Bedenken jeden Angarakaner töteten, der ihnen über den Weg lief. Es gab eine Menge Schenken in Cherek, aber nie tauchte ein Murgo in einer von ihnen auf, um nach uns zu fragen. Selbst die Dagashi mieden Cherek.
Zu guter Letzt jedoch empfahl Mutter einen erneuten Ortswechsel, hauptsächlich, um zu verhindern, daß das Geschlecht so durch und durch zu Cherekern wurde, daß es unmöglich gewesen wäre, bestimmte angeborene cherekische Charakterzüge wieder zu tilgen. Die letzte Frucht des
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