Polgara die Zauberin
zu arbeiten und zu leben, aber wenigstens mußte Darion morgens nicht weit zur Arbeit gehen.
Nach Darions und Selanas Hochzeit machten wir es uns in einer segensvollen Häuslichkeit bequem. Selana und ich kochten und hielten das Haus oben in Ordnung, und Darion baute und verkaufte unten Schränke. In mancher Hinsicht stellten unsere Lebensumstände die perfekte Erfüllung von Hattans Plänen für die korrekte Lebensweise der Erben dar. Darion war als verläßlicher Handwerker geschätzt und geachtet, aber nicht berühmt. Er hatte sein Auskommen, aber man konnte einen Mann, der über seiner Werkstatt wohnte, schlecht einen Handelsherrn nennen.
Und dann, im Spätherbst 4415, stattete uns mein Vater einen Besuch ab. Im Laufe der Jahre hatte ich seine Anwesenheit mehrmals gespürt, doch dies war das erste Mal, daß er sich uns tatsächlich aufdrängte. Ich rechnete damit, daß er ein Auge auf mich hatte, und wäre vermutlich enttäuscht gewesen, wenn es nicht so gewesen wäre. Obgleich er nicht so eng mit der Familie verbunden war wie ich, lag sie ihm doch nichtsdestoweniger am Herzen.
Vater geht immer ein wenig grob vor, wenn er seinen Willen freisetzt, so daß ich ihn den Laden unten betreten hörte, bevor er noch in den ersten Stock hochkam. Als er bei uns hereinplatzte, sah ich, daß er sich verkleidet hatte. Er hatte die Gestalt eines hochgewachsenen Mannes mit einem dichten schwarzen Bart angenommen, der unmittelbar unter seinen Tränensäcken anzufangen schien. Ich bin sicher, die Tarnung wirkte bei anderen, aber ich sehe zuallererst den Geist meines Vaters und nicht seine äußere Erscheinung. Ich erkannte ihn daher sogleich, als er das Zimmer betrat, wo wir zu Abend aßen. »Was machst du hier, alter Mann?« fragte ich ihn. »Ich dachte, ich hätte dir befohlen, mich in Ruhe zu lassen.«
»Wir müssen dich und die Kinder hier wegbringen, Pol«, drängte er mich, während er wieder seine ursprüngliche Gestalt annahm.
Das erschreckte Darion und Selena wirklich. »Wer ist dieser Mann, Tante Pol?« verlangte Darion mit erstickter Stimme von mir zu wissen.
»Mein Vater«, gab ich ihm zur Antwort. Ich verlieh dem Wort einen abwertenden Klang.
»Heiliger Belgarath?« Ich hatte kein Geheimnis aus meiner Herkunft gemacht, und Vater geht ein gewaltiger Ruf voraus – ein Ruf, der ziemlich schnell verblaßt, wenn man ihn näher kennenlernt.
»Das ›heilig‹ sei einmal dahingestellt«, entgegnete ich. Meine Antwort zielte weniger auf Darion als auf Vater. Es macht mir noch immer Spaß, ihn hin und wieder am Bart zu zupfen.
»Dies ist ein Notfall, Pol«, sagte Vater. »Wir müssen Sulturn sofort verlassen. Wenn du nicht endlich lernst, wie man sich das Haar färbt, packst du am besten gar nicht erst aus, wenn du in eine neue Stadt umgezogen bist. Jeder Grolim der Welt kennt diese weiße Haarsträhne.«
»Was soll das alles, Vater?«
»In der Schenke am Ufer, westlich von hier, sitzt ein Murgo, und er hat sich eingehend nach dir erkundigt. Er schüttet Bier in einen äußerst redseligen Sendarer und weiß inzwischen sehr genau, wo du dich aufhältst. Fang mit dem Packen an.«
»Warum hast du ihn nicht einfach umgebracht, Vater? Ein toter Murgo dürfte doch kaum ein Problem sein.«
»Tante Pol!« rief Darion entsetzt aus.
»Wieviel weiß er, Pol?« erkundigte sich Vater, während er auf Darion zeigte.
»Soviel er wissen muß.«
»Weiß er, wer er ist?«
»Eher vage.«
»O Pol! « sagte Vater voller Abscheu. »Ein Geheimnis nur um des Geheimnisses willen zu bewahren, ist kindisch. Fang an zu packen, während ich ihm erkläre, wer er wirklich ist. Nimm nur das Nötigste mit. Wir können alles, was wir brauchen, in Kotu kaufen.«
»Kotu?« Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet, und ich war mir nicht sicher, ob es mir dort gefiel.
»Sendarien wird allmählich zu gefährlich, Pol. Du mußtest in letzter Zeit ein paarmal zu oft alles stehen lassen und die Flucht ergreifen. Die Murgos – und Grolims – beginnen ihre Bemühungen in dieser Gegend zu konzentrieren. Laß uns dich und die Kinder eine Weile in eins der alornischen Königreiche bringen. Stopf ein paar Sachen in eine Tasche, und währenddessen erkläre ich Darion und seiner Frau die Lage.«
»Ich bin immer noch der Auffassung, daß du diesem Murgo ein Messer zwischen die Rippen jagen solltest.«
»Das wäre nur Zeitverschwendung, Pol. Die Nachricht von einem toten Murgo in einer Gasse gelangt unverzüglich zu den Grolims, und in weniger als einer Woche würde
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