Polgara die Zauberin
besonders köstlich wird.«
Und so kam es, daß Gelane am selben Tag Ehemann und Geschäftsinhaber wurde. Osrig blieb an diesem Abend sehr lange auf, und Gelane bekam auch nicht viel Schlaf, allerdings aus anderen Gründen.
Trotz seiner Jugend gewann Gelane an jenem Tag eine gewisse Berühmtheit. Das Glück hatte ihn begünstigt, und das kommt höchst selten vor. Selten genug jeden falls, um bei den anderen Lehrlingen von Seline eine Menge Neid zu wecken; bei den ziemlich häufigen Gele genheiten, wenn sie sich vor ihrer Arbeit drückten und zu einer dieser Stippvisiten in der Dorfschenke trafen, gab es genügend bösartigen Klatsch. Niemand schenkt haltlosen Verleumdungen von einem Haufen mittelmä ßiger Lehrlinge Beachtung, aber selbst die etablierten Händler und Handwerker merkten auf. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie ein Bürger es lakonisch zu sammenfaßte: »Dieser Glückspilz hat am selben Tag ein schönes Mädchen geheiratet und ist Inhaber seines eige nen Ladens geworden. Den behalte ich im Auge. Denkt an meine Worte, das ist der kommende Mann.« Im Rückblick glaube ich, daß es vermutlich klüger gewesen wäre, die Übereignung der Küferwerkstatt an Gelane noch ein Jahr hinauszuschieben. Osrig hätte ge wiß einem solchen Aufschub zugestimmt, wenn ich ihm mein Wort gegeben hätte, daß Gelane von diesem Tag an den Laden aufmachen würde. Vielleicht war die Gele genheit, alles an einem Tag unter Dach und Fach zu bringen, einfach zu verlockend. Manchmal lasse ich mich von meinem Hang zur Sparsamkeit hinreißen. Natürlich nutzte Gelanes Berühmtheit sich ab, und nach einem Jahr war er nur noch ›Gelane der Küfer‹ und nicht mehr ›dieser Glückspilz‹. Die Leute kauften Fässer bei ihm, weil er gute Fässer machte, aber davon abgese hen erwarb er sich keinen besonderen Ruf.
Diese kurze Zeitspanne, als er wieder ›etwas Besonde res‹ gewesen war, gab indes Gelanes Gefühl für seine eigene Wichtigkeit neuen Auftrieb, und das ist eine ge fährliche Sache für jemanden, dessen höchstes Ziel es ist, unauffällig zu bleiben.
Im Nachhinein hege ich die feste Überzeugung, daß Brands Bemühungen um eine angarakanerfreie Welt nicht annähernd so erfolgreich waren, wie er gehofft hatte. Zwar saßen keine murgosischen ›Händler‹ mehr in nahezu jeder Schenke im Westen, aber die Murgos waren nicht die einzigen Angarakaner auf unserer Seite des Meers des Ostens. Chamdar verfügte ja noch über die Dagashi, und sie waren weit weniger auffällig als Murgos.
Wie dem auch sei, nach ungefähr einem Jahr ver schwand Meister Osrig allmählich aus unserem Leben, und Gelane baute das Dachgeschoß über der Werkstatt in eine Wohnung für uns um. Damals erlitt Aravina einen Rückfall in jene alles verschlingende Melancholie, und ich sah mich gezwungen, ihr meine gesamte Aufmerk samkeit zu widmen. Nachdem die schwerste Krise über standen war, fiel mir auf, daß unsere sonst so sonnige Enalla Anzeichen von Unzufriedenheit an den Tag legte.
»Hast du Kummer, Enalla?« fragte ich sie ohne große Vorrede an einem Morgen, nachdem Gelane herunterge gangen war, um den Laden aufzuschließen.
»Ich glaube, Gelane liebt mich nicht mehr, Tante Pol«, antwortete sie untröstlich.
»Mach dich nicht lächerlich. Er betet dich an.« »Warum geht er dann jede Nacht unter den lächer lichsten Vorwänden aus? Wenn er nicht ›eine neue Stelle sucht, wo er Eichenbohlen für die Faßdauben kaufen kann‹ – längst nachdem alle Holzplätze geschlossen haben –, will er ›einen Burschen aufsuchen, der seine Rechnung nicht bezahlt hat‹. Er ist so leicht zu durchschauen. Weißt du, was ich glaube, Tante Pol? Ich glaube, daß ihm ir gendeine Schankdirne – oder Schlimmeres – schöne Au gen gemacht hat. Ihm scheint nicht mehr daran zu liegen, daß wir –« Sie errötete unvermittelt. »Na ja, du weißt schon – das .«
Ich wußte genau, was sie mit ›das‹ meinte. »Ich küm mere mich darum, Enalla. Wie lange geht das schon so?« »Fast zwei Monate. Wir beide machten uns Gedanken um Mutter Aravina, und während dessen ist irgend etwas mit Gelane geschehen, ohne daß wir es bemerk ten.« Sie hielt inne. »Müssen wir das immer, Tante Pol? Ich meine, sie Tag und Nacht im Auge behalten?« »Meistens.«
»Werden sie denn nie erwachsen?«
»Manche schon. Manche nicht. Mein Vater hat es im mer noch nicht geschafft, und er ist viel, viel älter als Gelane. Geht unser Junge jede Nacht aus?«
»In letzter Zeit, ja.«
»Gut. Dann
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