Polgara die Zauberin
beiseite. Ich mochte Osrig immer gerne. Er war Sendarer bis in die Fingerspitzen, die Sorte Mann, die mich immer mit Stolz auf den Beitrag erfüllt, den ich bei der Entstehung von Sendarien geleistet habe. Er war ernsthaft, praktisch und außergewöhnlich taktvoll. Er zahlte die Steuern, betrog seine Kunden nicht und verzichtete auf jene abwechs lungsreicheren Gefilde der Sprache, die Chereker und Drasnier so schätzen. Er war von kräftigem Wuchs, Mitte vierzig und vermutlich derjenige, der Gelane zum Mann erzogen hat. Manchmal fällt diese Aufgabe dem ersten Arbeitgeber eines jungen Mannes zu.
»Nun, Frau Pol«, sagte er mit einem leichten Lächeln zu mir, »da haben wir wohl unseren Jungen unter die Haube gebracht.«
Ich schaute durch den mit plaudernden Gästen gefüll ten Raum zu unserem Brautpaar hinüber, das die Welt um sich herum zu vergessen haben schien. »Jaja, ich glaube, Ihr habt recht, Meister Osrig«, antwortete ich. »Mir ist da gerade eine Idee gekommen, über die Ihr vielleicht einmal nachdenken möchtet, Frau Pol.« »Ach?«
»Warum geht Ihr nicht rüber zu ihnen und überreicht ihnen ein kleines Hochzeitsgeschenk?«
»Was genau schwebt Euch denn vor, Meister Osrig?« »Ihr habt es nicht direkt angesprochen, Frau Pol, aber als wir das erstemal davon sprachen, daß ich Gelane als Lehrling annehmen würde, hattet Ihr angedeutet, wenn alles glatt liefe, würdet Ihr es in Erwägung ziehen, mei nen Laden und das Geschäft zu kaufen.«
»Andeuten ist nicht ganz das richtige Wort, Meister Osrig. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich mich ziem lich klar ausgedrückt.«
»Jaja, das habt Ihr. Wie dem auch sei, Gelane ist flink, und er macht gute Fässer. Vor kurzem habe ich ihn in die geschäftliche Seite unseres Gewerbes eingeführt – Ihr wißt schon, mit den Kunden zurechtkommen, Preise aushandeln, säumige Schuldner zur Zahlung bewegen und so weiter.«
»O ja, Osrig, glaubt mir, ich weiß genau, wie man mit Kunden umgeht.«
»Gelane macht das auch recht gut. Ich habe ihn beo bachtet, und ich würde sagen, daß er so weit ist. Mir will scheinen, daß diese Hochzeit heute die perfekte Gele genheit für uns ist, auch seine Stellung im Geschäftsleben der Stadt zu ändern. Er ist jetzt ein verheirateter Mann, und das ist für Geschäftsleute sehr wichtig. Junggesellen können unzuverlässig sein, aber verheiratete Männer sind solide und verläßlich. Ich kenne meine Kunden – diese Art von Dingen ist ihnen sehr wichtig. Um es kurz zu machen, warum geben wir unseren Herzen nicht einen Stoß und machen noch heute Nägel mit Köpfen?
Ich mag Gelane und werde ihm einen guten Preis ma chen. Ich bleibe noch ein paar Monate, um ihn einzuwei sen, und dann beginne ich mich langsam aus dem Ge schäft zurückzuziehen.«
»Ihr seid überaus großzügig, Meister Osrig. Wenn wir uns einigen können, wird dieser Tag für Gelane auf ewig unvergeßlich sein.«
Er hüstelte und sah auf einmal ein wenig verlegen aus. »Ich habe allerdings noch einen etwas tieferen Beweg grund, Frau Pol«, gestand er.
»Ach?«
»Ich möchte es als festen Bestandteil unserer Vereinba rung verankert sehen, daß ich den Laden nie mehr öffnen muß. Er wird ihm gehören, und es wird seine Aufgabe sein, ihn jeden Morgen aufzuschließen.«
»Ich weiß nicht, ob ich Euch richtig verstanden habe, Meister Osrig.«
»Ich schäme mich es zuzugeben, Frau Pol, aber ich hasse das frühe Aufstehen morgens wie die Pest. Voraus gesetzt, wir werden in bezug auf die anderen Punkte handelseinig, möchte ich hiermit unmißverständlich klarstellen, daß ich nie mehr vor Mittag zur Arbeit er scheinen werde. Ich hasse das frühe Aufstehen jetzt seit vierzig Jahren. Wenn Ihr mein Geschäft übernehmt, schenkt Ihr mir die Freiheit, Frau Pol. Ich werde zwar aus purer Gewohnheit weiterhin mit dem ersten Tageslicht aufwachen, aber jetzt kann ich mich gemütlich im Bett rumdrehen und weiterschlafen.«
»Warum befreien wir Euch nicht jetzt sofort, Osrig? Wir können das Dokument gleich hier aufsetzen, und dann gehe ich und besorge Euer Geld. In wenigen Tagen sollte alles erledigt sein.«
»Fürs erste akzeptiere ich einen Schuldschein von Euch, Frau Pol. Dann können wir Gelane noch heute nachmittag den Schlüssel zu seinem Laden überreichen, und wenn die Sonne morgen früh an meine Läden klopft, kann ich ihr sagen, daß ich keine Befehle mehr von ihr entgegennehme.« Er kicherte. »Ich werde heute abend sogar extra lange aufbleiben, damit das im Bett bleiben morgen
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