Polgara die Zauberin
König, Göttertöter und König der Könige des Westens! Heil ihm, der uns gegen die Un gläubigen im Süden führen wird – gegen Arendien, ge gen Tolnedra, gegen das schlangenverseuchte Nyissa! Dort wird er die Heiden des Südens mit seinem mächti gen Schwert bekehren, auf daß sie den einen wahren Gott anbeten, Belar von Alorien!«
K APITEL 35
Ich erwog das soeben Gesehene und Gehörte, während ich nach Seline zurückflog und einen Gelane zurückließ, der sich in der Anbetung seiner Gläubigen sonnte. Die vernünftigeren unter den Bärenkultanhängern – im Grunde ein Widerspruch in sich – haben stets die durchsichtige Fiktion aufrechterhalten, ihre Gier nach einer ›Bekehrung‹ der südlichen Königreiche entspringe dem Wunsch, die Armeen für einen Kriegszug gegen die Angarakaner zu einen. Belar jedoch hatte nie etwas von einer einem Kriegszug vorausgehenden Bekehrung seiner Verbündeten verlauten lassen. Seinen göttlichen Brüdern die Gläubigen zu stehlen, wäre die übelste Form schlechten Benehmens gewesen, die man sich vorstellen konnte. Belar hatte seine Fehler, aber Unhöflichkeit gehörte nicht dazu. Die Idee mit der Bekehrung stammte von radikalen Kirchenmännern, deren Augenmerk sich weitaus stärker auf die Schatzhäuser von Tol Honeth als auf den Himmel richtete. Der schwarzbärtige Priester dort hinten am Lagerfeuer war offensichtlich ein Revisionist der schlimmsten Sorte. Nur sehr wenige im Westen wußten, daß Torak nicht wirklich tot war, und sein augenscheinliches Ableben hatte den Kult fast die Daseinsberechtigung gekostet. Der frömmlerische Vorwand, das Ziel des Kults sei nicht das Plündern der Reichtümer des Südens, sondern die Vernichtung Toraks, hatte sich vor Vo Mimbre in Luft aufgelöst. Der Priester der neuformierten Kultgruppe um Gelane war ein flinker Bursche, so viel gestand ich ihm zu.
»Vater, ich brauche dich.« Ich schickte den Gedanken aus, als ich im Begriff stand, auf der Straße vor der Kü ferwerkstatt wieder meine eigene Gestalt anzunehmen. »Was ist los?« erreichte mich seine Antwort.
»Wir haben hier ein Problem, Du kommst am besten so schnell du kannst her.« »Worum geht es?« »Das erzähle ich dir, wenn du hier bist Es könnte jemand mithören. Besorg dir ein anderes Gesicht.« Diese Vorsichts maßnahme hatte ihre Berechtigung, aber hauptsächlich hatte ich meinen trägen Vater dazu bringen wollen, sich zu sputen. Mein Leben wäre wesentlich einfacher, wenn Vater einfach tun würde, was man ihm sagt, anstatt sich in endlose Diskussionen mit mir zu stürzen.
Es wurde Tag, als ich spürte, wie er in den Außenbe zirken von Seline seine Gestalt wechselte. Gelane, der sich lange nach Mitternacht ins Haus zurückgeschlichen hatte, schlief noch. Ich nahm mir einen Besen und ging nach draußen. Ich fegte die Treppe, als ein kahlköpfiger, fetter Mann die Straße entlang kam. Ich wußte natürlich, wer es war. Manchmal läßt sich Vater so von Äußerlich keiten fesseln, daß er vergißt, wie unwichtig sie in Wahr heit sind. Leute sind, was sie sind. Wie sie aussehen, ist eine ganz andere Sache. »Wo hast du gesteckt?« fragte ich. Ich gebe zu, daß mein Tonfall ein wenig spitz war. Dann führte ich ihn in die mit Sägespänen übersäte Werkstatt und zeigte ihm Gelanes Bärenfellumhang. »Wie lange geht das schon?« wollte er wissen. Er sprach leise im Dämmerlicht der Küferwerkstatt. »Ich bin mir nicht sicher, Vater. Gelane wirkt schon seit sechs Monaten so abwesend, und er geht jede Nacht aus. Enalla denkt, er betrüge sie.«
»Seine Frau?«
Ich nickte und verstaute den Bärenfellumhang wieder in dem Schrank. Dann ließ ich seine Strafpredigt über mich ergehen, daß ich das zugelassen hatte, und schließ lich einigten wir uns darauf, welche Schritte wir dagegen unternehmen wollten.
Die lange – und lange und noch viel längere – ›Ge schichte der Welt‹ meines Vaters wird diejenigen unter euch, welche die Geduld aufbringen, sie bis zu Ende zu lesen, darüber aufklären, wie er Gelane am nächsten Abend folgte und Zeuge der feierlichen Anbetung des hiesigen Kults wurde, als mein fehlgeleiteter Neffe das Freudenfeuer auf der Lichtung erreichte. Nachdem er seine – nicht eben freundlichen – Gefühle unter Kontrolle gebracht hatte, gab mir der alte Wolf Bescheid und for derte mich auf, mich ihm anzuschließen. Ich fand das nett von ihm.
Als Vater den bärtigen Priester als Chamdar identifi zierte, wurde mir vieles klar. Vater hätte
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