Polgara die Zauberin
Tümpel«, führte ein anderer alter Angler aus.
»Schiefmaul lebt in diesem Biberteich, Wickler lebt in diesem Tümpel unter dem Wasserfall, und der Hoch springer lebt in dem flachen Teilstück weiter unten am Bach.« Mit einer unausgesprochenen Frage in den Augen sah er reihum die anderen Angler an, und sie nickten alle. »Warum rückst du deinen Stuhl nicht ein bißchen näher ans Feuer, junger Mann?« schlug der Alte vor. »Ich krieg noch 'nen Knick in meinen Hals, wenn ich mit mit jemandem unterhalten muß, der in meinem Rücken sitzt.«
Und das war der Moment, als Gelane in die hiesige Bruderschaft aufgenommen wurde. Er zog seinen Stuhl in die Lücke, die die anderen Angler für ihn öffneten, und dann ergriff er, natürlich in aller Bescheidenheit, das Wort. »Ich habe nicht ganz verstanden, was Ihr damit gemeint habt, daß Wickler Angelschnüre sammelt«, wandte er sich an den ergrauten Mann, der besagten Fisch identifiziert hatte.
»Das ist sein Trick«, erläuterte der. »Ich glaube, Wickler hat empfindliche Lippen und mag es nicht, wie der Angelhaken sich durch sie bohrt. Also dreht er sich im Wasser wieder und wieder um die eigene Achse und wickelt sich die Angelschnur um den Körper. Dann, wenn er deine Schnur vollständig aufgewickelt hat schwimmt er mit einer Geschwindigkeit von einer Meile pro Minute flußabwärts. Na ja, Wickler ist ein schwerer alter Gauner, und wenn er die Schnur straff gespannt hat, zerreißt er sie wie Spinnweben. Ja, so ist das.«
»Dann war es Wickler, den ich an der Angel hatte«, erklärte Gelane aufgeregt. »Genau das hat er auch mit mir gemacht.« Ein verträumter Ausdruck trat in seine Augen. »Aber ich kriege ihn«, prophezeite er. »Eines Tages kriege ich ihn.«
»Ich wünsche dir alles Glück der Welt, mein Freund«, sagte ein Angler mit sich lichtendem Haupthaar. »Der alte Wickler hat mich fast in den Ruin getrieben, weil ich jedesmal Meilen neuer Angelschnur kaufen muß, wenn ich zu seinem Tümpel gehe.«
Der ›Anglerklub‹ bestand größtenteils aus ortsansässi gen Geschäftsleuten, und als Gelane bescheiden verlau ten ließ, er habe sich gerade als Küfer niedergelassen, wurde er sogleich als verwandte Seele aufgenommen – man ging also davon aus, Fässer seien nur das Zweit wichtigste in seinem Leben. Mein Vater ist gerissen, das gestehe ich ihm zu. Nichts hätte Gelane in Emgaard so schnell gesellschaftliche Akzeptanz verschafft wie seine Angelrute.
Als der Herbst schließlich näher rückte und die Angel saison langsam ihrem Ende entgegenging, gab sich Gela ne wieder ans Fässermachen und andere häusliche Pflichten. Den alten Wickler hatte er nicht erwischt aber er erwischte Enalla zum richtigen Zeitpunkt. Zu Erastide war sie sichtlich schwanger.
Es ist eine Besonderheit des Dorflebens, daß nichts die Stellung einer Familie in der Gemeinschaft so sehr festigt wie die erste Schwangerschaft der Frau. Auf eine seltsa me Weise wird der künftige Erdenbürger zum Gemein besitz des ganzen Dorfs. Die Damen schauen alle vorbei, um – meist schlechte – Ratschläge zu erteilen, und die Männer verbringen Stunden damit, dem werdenden Vater zu gratulieren. Wir wohnten erst seit ungefähr eineinhalb Jahren in Emgaard, hatten aber in den Augen unserer Mitbürger bereits den Status von Alteingesesse nen erlangt. Wir waren ein Teil der Dorfgemeinschaft geworden, und es gibt keinen besseren Weg, um un sichtbar zu sein.
Im Frühsommer des Jahres 4899 setzten bei Enalla die Wehen ein. Es wurde eine leichte Geburt. Enalla sah das anders, aber es war, wie ich sagte. Das Kind war natür lich ein Junge. Aus einer Reihe guter Gründe, von denen Vererbung nur einer ist, war das im rivanischen Ge schlecht stets der Fall.
Gelane bestand darauf, seinen Sohn zu Ehren seines Vaters Garel zu nennen. Ich hatte nichts dagegen einzu wenden. Es war zwar kein cherekischer Name, klang aber hinreichend alornisch, um keinen Verdacht zu erre gen. Am Abend jenes ereignisreichen Tages, als Enalla schlief und Gelane und ich am Kamin saßen, er mit sei nem kleinen Sohn und ich mit meiner Näharbeit, schaute er versonnen in die Flammen. »Weißt du was, Tante Pol?« sagte er ruhig.
»Was, Liebes?«
»Ich bin wirklich froh, wie alles sich gefügt hat. In Sendarien gefiel es mir wirklich nicht besonders.« »Ach?«
»Damals während des Krieges, als ich noch auf der Feste lebte, kam ich mir sehr wichtig vor. Ich gehörte zu König ChoRams Familie, und alle liefen herum und nannten mich ›Euer
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