Polgara die Zauberin
Familie länger in Emgaard, als wir an irgendeinem anderen Ort geblieben waren, seit ich Arendien verlassen hatte. Schließlich gab es keinen einzigen Angarakaner in Cherek, und die Leute in Emgaard taten meine Langlebigkeit mit einem Achselzucken und der Erklärung ab: »Schließlich ist sie Ärztin, und jeder weiß, daß Ärzte wissen, wie man Hunderte von Jahren alt wird. Sie machen es nur mit diesen geheimen Kräutern, glaubt mir.« Dieser Aberglaube – oder die maßlose Überschätzung der ärztlichen Zunft – ermöglichte es mir, mit den Nachkommen von Gelane und Enalla so lange in Emgaard zu bleiben. Ich wußte, daß ich eine der Grundregeln brach, aber in Cherek kann man das ungestraft tun, weil jedermann in Cherek die Regeln bricht, wenn er Gelegenheit dazu erhält.
Wir waren dort alle glücklich, und die Jahrhunderte zogen gemessenen Schritts und beinah unbeachtet ins Land. Ich verlor sogar aus den Augen, in welchem Jahr wir uns gerade befanden, obwohl ich für gewöhnlich sehr genau mit diesen Dingen bin. Ich glaube, es war 5250 – vielleicht aber auch 51 –, als Vater uns einen seiner seltenen Besuche abstattete. Diesmal war es ihm jedoch nicht primär um unsere Gesellschaft zu tun. »Die Zwillinge haben dem Mrin ein paar Hinweise abgerungen, daß wir dem Göttertöter näher kommen, Pol«, erklärte er mit großem Ernst.
»Ist es schon bald, Vater?«
»Nun, nein, so schnell nicht, aber gewiß im Verlauf des nächsten Jahrhunderts oder so.«
»Dann denke ich wohl besser über einen Umzug zurück nach Sendarien nach, oder?«
Er warf mir einen unergründlichen Blick zu.
»Ich kenne den Mrin und den Darine genauso gut wie du, Vater«, erklärte ich ihm spitz. »Ich weiß, wo der Göttertöter zur Welt kommen soll.«
»Übereile nichts, Pol. Die Zwillinge finden unter Umständen noch einen genaueren Zeitpunkt heraus, mit dem wir besser arbeiten können. Ich möchte nicht, daß du in Sendarien umherirrst, während ich Chamdars Aufenthaltsort noch nicht ausfindig gemacht habe. Wer ist der derzeitige Erbe?«
»Er heißt Geran, Vater. Aus einigen sehr persönlichen Gründen liegt mir daran, daß dieser Name nicht in Vergessenheit gerät. Er hat gerade geheiratet, deshalb denke ich nicht, daß sein Sohn derjenige ist, auf den wir warten.«
»Ach? Warum nicht?«
»Seine junge Frau ist Cherekerin, Vater, und bei einem cherekischen Mädchen reicht ein freundlicher Blick, und sie ist schwanger. Sie wird wahrscheinlich einen Erben gebären, bevor ich Zeit finde, zu packen und nach Sendarien zu ziehen.«
»Sind Chereker wirklich so fruchtbar?«
»Warum, glaubst du, haben sie wohl alle diese großen Familien?«
»Ich dachte, es hätte etwas mit dem Klima zu tun.«
»Was sollte denn das Klima damit zu tun haben?«
»Na ja, du hast all diese langen, kalten Winter und nichts zu tun und dann –« Er unterbrach sich abrupt.
»Ja, Vater?« fragte ich mit zuckersüßer Stimme. »Bitte fahre fort. Ich finde deine wissenschaftlichen Spekulationen absolut faszinierend.«
Er wurde tatsächlich rot.
K APITEL 36
Nicht lange nach Vaters Besuch schaute auch Mutter bei mir vorbei – bildlich gesprochen natürlich. »Pol«, erreichte mich ihre Stimme.
»Ja, Mutter?« antwortete ich und setzte den Topf ab, den ich gerade gescheuert hatte.
»Du wirst nach Nyissa gehen müssen. Ctuchik versucht Salmissra auf seine Seite zu ziehen. Irgend jemand muß ihr den Kopf wieder geraderücken.«
»Warum ich?« Selbstverständlich meinte ich es nicht ernst.
Eine lange Pause trat ein, und dann lachte Mutter auf. »Weil ich es sage, Pol. Was ist in dich gefahren, mir so eine blöde Frage zu stellen?«
»Das liegt in der Familie, Mutter. Ich muß mir diese Frage nun seit mehr als zwölf Jahrhunderten von kleinen blonden Jungen anhören. Sag selbst, treibt einen das nicht zur Weißglut?«
»Wie reagierst du für gewöhnlich darauf?«
»Etwa so wie du vorhin. Ich rede mit den Zwillingen und bitte sie, mich hier kurzfristig zu vertreten. Dann unterhalte ich mich mit der Schlangenfrau. Verführt Ctuchik sie persönlich?«
»Nein. Ctuchik verläßt Rak Cthol fast nie. Er hat Chamdar beauftragt sich darum zu kümmern.«
»Ah, das erklärt warum Vater ihn nicht finden kann.«
»Wie geht es ihm?«
Ich zuckte die Schulter.
»Immer das Gleiche – leider. Du kennst doch Vater.«
»Sei nett zu ihm.« Und fort war sie.
Ich schickte einen Gedanken zu den Zwillingen aus, und sie flogen ungefähr zwei Tage später ein.
»Ich glaube, es wäre mir
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