Polgara die Zauberin
ist als Gela ne es war. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß ›der Riese‹ meinem Durnik nicht mehr vom Haken gehüpft wäre.
Ein Möbeltischler in Emgaard war in der Woche vor unserer Ankunft gestorben, und ich besuchte die untröst liche Witwe, ehe die Geier das Aas gewittert hatten. Ich kaufte ihr den Laden und die dazugehörige Wohnung ab, ehe sie Gelegenheit erhielten, die Frau zu übervortei len. Der Preis, den ich ihr zahlte, war nicht nur angemes sen, sondern großzügig. Eulen sind schließlich auch net tere Vögel als Geier. Die Möbeltischlerei war nicht groß, aber groß genug für einen Küfer, der häufig das Schild ›Bin Angeln‹ vor die Tür hängte.
Der Winter zog ins Land, und Vater sagte uns Lebe wohl und verließ uns. Er wollte versuchen, Chamdar ausfindig zu machen. Gelane stellte tagsüber Fässer und abends Fischköder her. Enalla war nicht allzu froh über die neue Liebhaberei ihres Mannes. Ihre Miene hellte sich jedoch auf, als ich sie darauf hinwies, daß Männer, die die ganze Zeit an Fische denken, sich wahrscheinlich nicht mit anderen Frauen einlassen.
Aravina starb eines Nachts im folgenden Frühjahr im Schlaf. Ich vermochte die Todesursache nicht genau zu bestimmen. Vermutlich starb sie, pathetisch ausgedrückt »an gebrochenem Herzen«, aber vom rein medizinischen Standpunkt ist das abwegig. Aber, abwegig oder nicht, ich konnte die Vermutung nicht von der Hand weisen, daß ihre periodischen Anfälle von Depression, tatsäch lich entscheidend zu ihrem Tod beigetragen hatten. Gelane und Enalla betrauerten sie natürlich, aber das Leben ging weiter. Gelane war als Küfer so gut, daß seine Kunden sich in Nachsicht übten, wenn die Fische bissen.
Da Emgaard ziemlich abgelegen ist und die Forellenbä che der Umgebung nicht stark befischt wurden, war Gelane nicht der einzige Geschäftsmann, dessen ›Bin Angeln‹Schild häufig vor der Ladentür hing. Sie trafen sich immer nach Sonnenuntergang in der örtlichen Schenke und sprachen stundenlang über ihre Freizeitbe schäftigung. Der Textilienladen war der Schenke ange schlossen und so war ich eines Abends zufällig in jenem Teil des Gasthofs, während Gelane im Schankraum saß und Tips aufzuschnappen versuchte, wie man Forellen überlistet. Die hiesigen Angler saßen im Halbkreis um den Kamin, die Füße auf dem Herdstein, und flunkerten, daß sich die Balken bogen. »Ich habe das alte Schiefmaul heute morgen auf dem Schwanz über diesen Tümpel laufen sehen«, verkündete einer von ihnen. »Er scheint recht gut durch den Winter gekommen zu sein.« »Das ist doch nichts Neues«, merkte ein anderer Ang ler an. »In diesem Biberteich, wo er lebt, gibt's 'ne Menge Nahrung. Nicht genügend Strömung, um sie wegzuspü len.«
»Wer ist Schiefmaul?« fragte Gelane ein bißchen schüchtern. Er saß auf einem Stuhl ein Stück weit weg vom Kamin und wollte sich den Veteranen offenbar nicht aufdrängen.
»Das ist eine riesige alte Forelle, die offenbar einen dummen Fehler begangen hat, als sie kaum größer als eine Elritze war«, antwortete ihm der erste Angler. »Biß bei irgendeinem Grafen an, der wirklich nicht viel Ahnung vom Angeln hatte. Na ja, soweit man das im Nachhinein beurteilen kann, muß der Graf eine Spur zu heftig an der Leine geruckt haben, und das hat dem jungen Fisch den Kiefer gebrochen. Damit hatte der Fisch seinen Namen weg. Sein Unterkiefer ist völlig schief. Soweit wir wissen, hat Schiefmaul die ganze Zeit, während sein Kiefer zusammenheilte, über seinen Fehler nachgedacht. Glaub mir, junger Mann, es braucht schon einen sehr guten Köder, damit Schiefmaul auch nur einen Blick drauf wirft. Er macht fast nie Fehler.«
»Haben alle Fische hier Namen?« erkundigte sich Ge lane.
»Nee«, lachte ein anderer Angler. »Nur die richtig großen, die zu clever sind, sich fang'n zu lass'n, die hab'n Namen.«
»Ich hatte mal einen ziemlich großen in diesem Tüm pel unter dem Wasserfall kurz außerhalb des Dorfs an der Angel, als ich den ersten Tag hier war«, äußerte Ge lane bescheiden. »Aber er blieb nicht lange dran – und von meiner Angelschnur war nicht mehr viel übrig, nachdem er sich losgerissen hatte. Ich glaube, er hat die Hälfte mitgenommen.«
»Ach, das war der alte Wickler«, identifizierte ein an derer ergrauter Angler Gelanes Fisch. »Dieser Tümpel da ist sein Privatbesitz. Und er sammelt Angelschnüre.« Gelane sah ihn verständnislos an.
»Alle Großen hier in der Gegend haben ihre bevorzug ten
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