Polgara die Zauberin
so geräuschlos, wie ich konnte, auf den Boden hinter dem Abbild des Schlangengottes. Dann nahm ich meine eigene Gestalt an, wobei ich sorgfältig jedes dabei auftretende Geräusch dämpfte.
»Bist du gekommen, um mir in Erinnerung zu rufen, wie sehr der Drachengott mich bewundert, Asharak?« fragte Salmissra mit aufreizend kokettem Gebaren.
Asharak antwortete ihr, während ich gemächlich um die massive Statue herumschlenderte. »Die ganze Welt hält den Atem an ob Eurer unvergleichlichen Schönheit Eure Majestät. Meine armseligen Worte vermögen nicht die Tiefe des Verlangens wiederzugeben, die mein Gott –« Er hielt unvermittelt inne und starrte mich verdutzt an. »Was –« stieß er mit belegter Stimme hervor.
»Aber, aber, mein liebes Chammiechen«, sagte ich in einer recht gelungenen Nachahmung von Asranas Stimme und Art, »nett, Euch hier zu treffen! Was für eine angenehme Überraschung!« Dann sah ich der Schlangenkönigin unmittelbar in die Augen. »Ah, da seid Ihr ja, Sally. Wo zum Henker habt Ihr gesteckt? Ich suche Euch schon überall!« Die kleine Rede war original Asrana.
»Was tut Ihr hier?« verlangte Chamdar zu wissen. »Ich habe nur mal reingeschaut, um unserer Sally guten Tag zu sagen«, entgegnete ich. »Es wäre nicht höflich, durch Sthiss Tor zu reisen, ohne ihr meine Aufwartung zu machen, wißt Ihr. Wo habt Ihr gesteckt, alter Knabe? Mein Vater sucht Euch händeringend. Ihr habt Euch doch nicht schon wieder vor ihm versteckt? Böses, böses Chammiechen! Er wird schrecklich garstig zu Euch sein, wißt Ihr. Vater kann wirklich gemein werden, wenn er sich gekränkt fühlt.«
»Wer ist das?« fragte Salmissra. »Und warum nennt sie Euch so?«
»Tischt Ihr uns schon wieder dieses abgedroschene alte Märchen auf, Chammiechen? Wie langweilig. ›Asharak der Murgo‹? Ehrlich, Chammiechen, ich bin sehr enttäuscht von Euch.« Ich schaute zu der verwirrt wirkenden Königin von Nyissa herüber. »Hat er Euch wieder angelogen, Sally? Ihr habt ihm doch nicht etwa geglaubt oder? ›Asharak der Murgo‹, ich bitte Euch! So stellt er sich in beinahe jedem Ort der zivilisierten Welt vor. Jedermann weiß, daß er in Wirklichkeit Chamdar heißt und Ctuchiks bevorzugter Speichellecker ist. Chammiechen hier ernährt sich seit Äonen nur noch vom Speichel seines Meisters!«
»Wer seid Ihr?« fragte Salmissra. »Und wie könnt Ihr es wagen, mich mit diesem lächerlichen Namen anzusprechen?«
»Ich heiße Polgara, Sally, und ich nenne Euch so, wie es mir verdammt noch mal paßt.« Ich ließ den leichtfertigen Tonfall fallen und verlieh meiner letzten Bemerkung eine Spitze aus Stahl.
Ich konnte förmlich spüren, wie die Rauschmittel sich aus ihrem Blut verflüchtigten. »Polgara?« rief sie aus.
»Sie lügt!« erklärte Chamdar, dessen Stimme plötzlich ziemlich schrill klang. In seine Augen trat ein wilder Blick.
»O Chammiechen, woher solltet Ihr das wohl wissen, hm? Du suchst mich jetzt schon seit über tausend Jahren und hast mich noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Wenn du das Beste bist, womit Ctuchik aufwarten kann, dann hat Vater die Gefahr maßlos übertrieben. Dich könnte ich vernichten, ohne den Finger zu krümmen.« Ich weiß, es war heillos übertrieben, aber ich konnte nicht anders: Ich zeigte mit ausgestrecktem Finger auf einen Fleck unmittelbar neben ihm und verwandelte eine polierte Fußbodenfliese mit einem zischenden Donnerschlag zu Staub. Ich habe so etwas selten gemacht, darum fiel es wahrscheinlich ein bißchen zu dramatisch aus. Die Splitter, scharfkantig und glühend heiß, gingen über den kriechenden Eunuchen nieder, die nun nicht mehr gelangweilt wirkten. Sie spritzten davon, quiekend wie verängstigte Mäuse.
»Hoppla«, entschuldigte ich mich. »Unter Umständen ein wenig zu aufwendig. Tut mir leid wegen der Fliese, Sally; Nun, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein.« Und ich ließ mehrere weitere Fliesen vor Chamdars Füßen in Stücke springen.
Er begann wild umherzuhüpfen. »Da habt Ihr es, Sally«, schmollte ich. »Murgos können doch tanzen. Sie brauchen nur ein bißchen Ermutigung.«
»Seid Ihr gekommen, um mich zu töten?« jammerte Salmissra.
»Euch töten? Gütiger Himmel, nein, meine liebe Sally. Wir beide wissen doch, daß ich das nie tun würde.« Ich vollführte eine kaum merkliche Bewegung mit einem einzigen Finger und setzte meinen Willen frei. Schließlich wirkte ich nur eine Illusion, so daß ich nicht wild mit beiden Armen
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