Polgara die Zauberin
aufgebracht. Deshalb schickte ich eines Abends, nachdem Salmissra sanft eingeschlummert war, nach Rissus, der vermutlich mehr Macht besaß als irgendeiner seiner Genossen – genug Macht jedenfalls, daß er die üblichen Vorkehrungen gegen ihre Giftanschläge ergreifen mußte. Er wirkte ein bißchen ängstlich und sehr vorsichtig, als er die grellbunten Privatgemächer der Schlangenkönigin betrat. »Ihr wünschtet mich zu sprechen, Lady Polgara?« begann er in seinem Eunuchenalt.
»Ja, Rissus«, erwiderte ich. »Ich dachte, wir beide müßten einmal miteinander plaudern.«
»Natürlich, Lady Polgara.«
»Ihr habt gewiß die Veränderung bemerkt, die in Eurer Königin vorgegangen ist.«
»Wie könnte ich sie übersehen? Ihr habt sie vollständig unter Kontrolle. Wie habt Ihr das nur so schnell geschafft?«
»Ich habe ihr meine Freundschaft angeboten, Rissus. Wißt Ihr, sie ist ein sehr einsamer Mensch.«
»Wie kann sie denn einsam sein? Sie hat doch einen ganzen Stall hübscher Jungen zu ihrer Unterhaltung.«
»Salmissra braucht einen Freund, Rissus, und den findet sie nicht bei ihren Kapriolen mit hübschen Jungen. Selbst unter Aufbietung aller Phantasie könnte man sie nicht brillant nennen, aber sie ist klug genug, um hier die Herrschaft auszuüben, wenn Ihr und Salas und ein paar der anderen Eunuchen ihr zur Seite stehen. Fühlt Ihr Euch zum Staatsmann berufen, Rissus? Könntet Ihr Eure kleinen Intrigen und die gelegentlichen Giftmorde an Euren Rivalen vergessen und Eure Bemühungen statt dessen auf eine funktionierende Regierung richten?«
»Was für ein merkwürdiges Ansinnen«, murmelte er.
»Schockierend, nicht wahr?« pflichtete ich ihm bei. »Und so werden wir es machen: Ich habe im Verlauf meines Lebens in den verschiedensten Machtpositionen einen beträchtlichen Erfahrungsschatz angehäuft, und das alles werde ich mir ins Gedächtnis rufen – und Salmissra Geschichten darüber erzählen, wie ich diese und jene Krise bewältigt habe, wie man einflußreiche Adlige verhätschelt, die Steuererlasse so gestaltet, daß es nicht zum sofortigen Aufstand kommt und dergleichen langweilige Regierungsangelegenheiten mehr. Der alleinige Zweck des Ganzen ist es, Salmissras Interesse für Politik zu wecken. Dann, wenn sie Fragen zu stellen beginnt, werde ich vorgeben, mich in nyissanischen Gepflogenheiten nicht auszukennen, und vorschlagen, daß sie Euch hinzuzieht. Salmissra soll so behutsam an den Punkt geführt werden, an dem sie zur brauchbaren Herrscherin wird. Dann lassen wir sie ihre eigenen Entscheidungen treffen.«
Er warf mir einen verschlagenen Blick zu. »Wo ist der Haken, Lady Polgara?« fragte er mich. »Was springt dabei für Euch heraus?«
»Mir liegt an stabilen Zuständen hier in Nyissa, Rissus. Es sind Dinge im Gange, von denen Ihr keine Ahnung habt, Dinge von titanischem Ausmaß. Ich will nicht, daß Ctuchik die nyissanische Politik diktiert.«
»Ihr werdet keine Einwände von mir hören, Polgara.«
»Gut. Also, ich habe sie von einigen der schädlichsten Gifte entwöhnt, aber wir sollten auch die Dosen der übrigen Mittel reduzieren. Ich weiß, daß es bestimmte Kräutermischungen gibt, die sie regelmäßig einnehmen muß, damit sie nicht sichtlich altert, aber laßt uns ihre Dosis auf das absolut Notwendige herabsetzen. Wer ist ihr Apotheker?«
»Ist zur Stelle!« antwortete er mit einem schwachen Lächeln.
»Tatsächlich? Es ist sehr ungewöhnlich, daß ein Pharmakologe eine Machtposition in der Regierung einnimmt.«
»Nicht in Nyissa, Polgara. Hier in Sthiss Tor ist der Schlüssel zum Drogenschränkchen der Schlüssel zur Macht. Es mag unbescheiden klingen, aber ich bin der beste Pharmakologe in ganz Nyissa. In einem Land von Süchtigen hat der Apotheker das Sagen, aber es läuft natürlich alles unter der Hand. Es könnte nett sein, auf die offizielle Seite zu wechseln.«
»Dann nehmen wir also unsere Salmissra unter unsere Fittiche und machen eine echte Königin aus ihr, Rissus?«
»Das könnte nett werden. Eine echte Königin wäre etwas Neues. Wir würden die von Euch gewünschten stabilen Verhältnisse schaffen – strenge Richtlinien für die Vergiftung politischer Gegner entwerfen, den Einsatz gedungener Mörder einschränken und so weiter.« Er lehnte sich nachdenklich zurück. »In Nyissa herrscht nun seit etwa einem Jahrhundert das Chaos«, merkte er an. »Möglicherweise ist es an der Zeit, ein paar Regeln aufzustellen, und hier im Land beachtet niemand Regeln, solange sie nicht
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