Polgara die Zauberin
komplizieren, indem wir auch noch Frauen auf die Anklagebank bringen.« Er führte sein Horn an den Mund und blies einen gedehnten, metallischen Ton, um Hauptmann Torgun und seine Männer herbeizurufen.
Die Soldaten waren gut ausgebildet und die Kultanhänger nicht mehr nüchtern, daher kam es zu keinem erwähnenswerten Kampf. Die Verluste hielten sich in Grenzen. Elthek kreischte immer weiter »Wie könnt ihr es wagen?«, aber mir fiel auf, daß er nicht nach seinem Schwert griff. Schließlich wurde Hauptmann Torgun der Vorhaltungen des Erzpriesters müde und brachte ihn mit einem gezielten Faustschlag zum Schweigen.
Es dämmerte, als die Reihe der angeketteten Kultanhänger in Rivas Stadt getrieben wurde. Wir warfen sie in den Kerker unter dem Belartempel, und dann sprach Kamion kurz mit Hauptmann Torgun, bevor er, Anrak und ich unsere Augenzeugengruppe den Berg zur Zitadelle hinaufführten, um Daran mitzuteilen, daß unser kleiner Ausflug erfolgreich verlaufen war.
Der ›Prozeß‹ fand am folgenden Tag auf dem öffentlichen Platz vor dem Tempel statt. Ich bemerkte, daß Hauptmann Torguns Soldaten nicht müßig geblieben waren und eine erkleckliche Anzahl von Pfählen auf dem Platz aufgerichtet und mit Reisigbündeln umlegt hatten – für alle Fälle.
»Warum veranstalten wir das Ganze hier anstatt im Thronsaal?« fragte ich Daran, bevor der Prozeß seinen Beginn nahm.
»Ich will, daß jeder in der Stadt die Zeugenaussagen hört, Tante Pol«, erklärte er. »Laß es uns so gründlich erledigen, daß der Bärenkult sich nicht sogleich wieder erholt, sobald ich ihm den Rücken zuwende.«
Daran saß auf einem großen, üppig verzierten Thronsessel – Eltheks, um genau zu sein –, den Torguns Soldaten aus dem Tempel geholt und aufgestellt hatten, wo jeder ihn sehen konnte. Dann wurden die Bärenkultanhänger, immer noch in Ketten und ungepflegt, aus dem Tempelverlies gezerrt und gezwungen, sich in einer eng zusammengedrängten Gruppe am Fuße der breiten Treppe hinzusetzen, die zum Tempeltor führte. Der Platz war übervoll, als die Verhandlung begann.
Kamion, Wächter von Riva, erhob sich, um sich an die versammelten Bürger zu wenden. »Hier auf unserer Insel ist ein Verbrechen verübt worden, meine Freunde«, begann er, »und wir sind heute zusammengekommen, um darüber Gericht zu halten.«
»Über welches Verbrechen sprechen wir, Lord Brand?« verlangte ein gut instruierter Stadtbewohner mit donnernder Stimme zu wissen, die bis in den letzten Winkel des Platzes zu hören war. Der rivanische Wächter war, wie mir auffiel, nicht der Mann, irgend etwas dem Zufall zu überlassen.
»Das Verbrechen der Hexerei«, gab Kamion zur Antwort.
Elthek, arg mitgenommen und zerschunden von Hauptmann Torguns Fäusten, versuchte aufzuspringen, aber das ist ein bißchen schwierig, wenn man an andere Leute gekettet ist.
Die Verhandlung ließ sich gut an, befand ich. Kamions Befragung war meisterhaft, und die Zeugen bestätigten ausnahmslos die Tatsache, daß Elthek auf der Versammlung in der Schlucht ›Magie‹ ausgeübt hatte.
Dann zerrte Hauptmann Torgun den rivanischen Erzpriester auf die Beine.
»Was habt Ihr auf die Beschuldigungen zu erwidern?« fragte Kamion den Gefangenen.
»Lügen! Alles Lügen!« Elthek kreischte fast. »Und dieses Gesetz betrifft mich nicht.«
»Das Gesetz betrifft jedermann«, belehrte Kamion ihn streng.
»Ich bin Priester! Ich bin der Erzpriester der Kirche von Belar!«
»Um so mehr Grund für Euch, dem Gesetz zu gehorchen.«
»Es war keine richtige Magie!«
»Ach?« warf Daran milde ein. » Ich kann keine Geister herbeirufen oder einen zweiten Mond erschaffen oder Felsen zum Bluten bringen. Könnt Ihr das, Lord Brand?«
»Ich würde es erst gar nicht versuchen wollen, Eure Hoheit«, entgegnete Kamion.
»Laßt uns weitermachen«, rief Graf Jarok mit dröhnender Stimme.
»Was sagt das Volk?« fragte Daran mit lauter, offizieller Stimme. »Sind diese Männer des Vergehens der Hexerei schuldig?«
»JA!« brüllte die Menge wie aus einer Kehle. Es hätte mich nicht überrascht, wenn die Rehe am anderen Ende der Insel sich bei dem Lärm erschreckt hätten.
»Bringt die Gefangenen in den Kerker zurück«, ordnete Daran an. »Ich werde den Fall abwägen und eine angemessene Bestrafung für dieses verabscheuungswürdige Verbrechen ersinnen.«
Ich wäre die erste, die zugäbe, daß die Inszenierung überaus simpel war, aber wir sprechen hier von Alornern, und Subtilität war nie die Stärke der Alorner.
Die
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