Polgara die Zauberin
Gefangenen sind nun bereit, Hauptmann Torgun«, sagte er. »Hättet Ihr wohl die Güte, sie zu den Schiffen zu begleiten? Vor ihnen liegt noch eine Menge Arbeit, und ich bin sicher, sie brennen alle darauf, in die Hände zu spucken und endlich anzufangen!«
»Sofort, Lord Brand!« gab Torgun zur Antwort und salutierte stramm.
»Ach, Elthek«, wandte ich mich mit freundlicher Stimme an den geknickten Kirchenmann.
»Was ist?« seine Antwort klang sehr verdrießlich.
»Eine gute Reise wünsche ich Euch, und ich hoffe wirklich, Ihr werdet Euer neues Zuhause und Eure neue Arbeit genießen!«
Und das war das letzte Mal, daß der Bärenkult auf der Insel der Winde sein Haupt erhob. Es ist jetzt dreitausend Jahre oder mehr her, seit Elthek und seine Gefolgsleute den Ackerbau für den Eigenbedarf auf jenen unwirtlichen Felseilanden aufnahmen, und obwohl sie Alorner sind, nahmen die Rivaner sich Darans Lektion sehr zu Herzen. Die Vorstellung, mit dem Spaten Vogeldung in felsigen Boden einzuarbeiten, um sein elendes Leben zu fristen, ist für die wenigsten Menschen verlockend. Und diese sturmgepeitschten Eilande werden jederzeit dort sein – und warten.
Der darauffolgende Frühling ließ sich Zeit und ich wurde zunehmend ruheloser. Dann, spät in einer Nacht, als ein windgepeitschter Regensturm an den Türmen der Zitadelle rappelte und ich mich unruhig in meinem Bett hin und her warf, erreichte mich Mutters Gedanke. »Polgara«, sagte sie, »glaubst du nicht es wird langsam Zeit daß Daran heiratet?«
Um ehrlich zu sein, die Frage meiner Mutter erschreckte mich, da ich meinen Neffen noch immer – unvernünftigerweise, wie ich annehme – für ein Kind hielt. Mir einzugestehen, daß er erwachsen wurde, hätte mich noch weiter von Beldaran entfernt vermute ich. Jeder von uns hat diese kleinen entschuldbaren Fehler.
Am nächsten Tag jedoch, als Daran, Kamion und ich uns zu unserer gewohnten Erörterung der Lage im Königreich zusammenfanden, betrachtete ich meinen Neffen ziemlich eingehend und mußte zugeben, daß Mutter wahrscheinlich recht hatte. Daran hatte sandfarbenes Haar, und blonde Menschen wirken stets jünger als dunkle. Aber er war ein muskulöser junger Mann, und die Auseinandersetzung mit den mühseligen Aufgaben seiner Regentschaft hatte ihn weit über sein tatsächliches Alter hinaus reifen lassen.
»Warum siehst du mich so an, Tante Pol?« fragte er neugierig.
»Oh, aus keinem besonderen Grund. Ich glaube, du hast beim Rasieren heute morgen eine Stelle unter deinem Kinn vergessen, sonst nichts.«
Er fuhr sich mit den Fingern über den Hals. »Ja«, stimmte er mir zu, »da unten ist es noch etwas stachelig. Glaubst du, ich sollte mir einen Bart wachsen lassen?«
»Nein«, beschied ich ihn, »ganz bestimmt nicht. Hier gibt es schon genug haarige Burschen. Nun, etwas ganz anderes, was unternehmen wir wegen der augenblicklichen Priesterknappheit? Die meisten von ihnen weilen an Eltheks Seite im hohen Norden.«
»Wir können auf Priester verzichten, Tante Pol. Aus mir unerklärlichen Gründen scheinen Belarpriester immer zu Bärenkultideen zu neigen, und ich will das nicht noch einmal durchmachen.«
»Wir brauchen Priester, Daran.«
»Wozu?«
»Zum Beispiel, um Eheschließungen und Beerdigungen vorzunehmen«, belehrte ich ihn ziemlich schroff. »Die jungen Leute hier auf der Insel beginnen Alternativen zur Heirat zu entdecken, und das sollte man doch wohl nicht ermutigen, oder was denkst du darüber? Ich bin sicher, daß es unterhaltsam ist, aber es neigt auch dazu, die Moral deiner Untertanen zu untergraben, meinst du nicht auch?«
Er wurde tatsächlich rot.
»Warum laßt Ihr mich nicht dieses Problems annehmen, Eure Hoheit?« schlug Kamion vor. »Wir könnten Belarpriester in Cherek und Drasnien rekrutieren aber das könnte unter Umständen zur Wiederbelebung des Bärenkults auf der Insel führen. Ich werde mit dem Palastkaplan darüber sprechen. Wahrscheinlich können wir ein theologisches Seminar im Tempel eröffnen. Aber ich entwerfe den Lehrplan, damit wir uns ganz sicher sein können, daß sich keine unorthodoxen Glaubenssätze einschleichen.«
»Ihr seid der Gelehrte, Kamion«, versetzte Daran mit einem Schulterzucken, »tut, was Ihr für richtig haltet.« Er schaute zum Fenster, durch das das Licht des fortgeschrittenen Vormittags in den Raum fiel. »Wie spät ist es deiner Meinung nach?« fragte er mich. »Ich habe heute morgen eine Verabredung mit meinem Schneider.«
»Es ist die vierte Stunde des
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