Polt - die Klassiker in einem Band
Weinheber. „Mein Königreich, Simon. Was darf es sein? Ich habe mich auf Grauburgunder und Blauburger spezialisiert. Hat nicht jeder, weißt du?“
„Eins nach dem andern, wir schaffen das schon.“
„Jaja, so viel ist es ja wirklich nicht. Aber es kommt mir mehr auf die Qualität an als auf die Menge. Hast du gesehen, was dieser Räuschl heute in sich hineingeschüttet hat? Und der hochwürdige Herr Pfarrer war auch ganz tüchtig bei der Sache, mit Verlaub. Feine Weinkenner, alle miteinander. Den 79er Cabernet Sauvignon will der Pfarrer noch fünf Jahre liegen lassen. Dabei wär’s höchste Zeit, ihn zu trinken. Also, mit der Sauferei der anderen hab ich nie mitgetan. Ich genieße und denk mir meinen Teil.“
Polt beobachtete den Mesner, wie er, auf einer kleinen Leiter stehend, das Spundloch des Fasses öffnete und den Weinheber füllte. Firmian Halbwidl war mittelgroß und schlank. Mit seinem Bubengesicht unter der unbeholfenen Frisur erinnerte er irgendwie an einen Aktivisten in der Katholischen Jugend, der zwar älter, aber nicht erwachsen geworden war. „Gehen wir nach oben, Simon, hier ist es ja doch sehr kühl.“
Im Preßhaus zeigte der Mesner einladend auf zwei schwarze Klappsessel, die hinter einem kleinen Tisch an der Wand standen. „Die sind vom aufgelassenen Burgheimer Kino. Willkommen in Firmian Halbwidls Lichtspieltheater!“
„Und wie ist das Programm?“ fragte Polt, als sie nebeneinander Platz genommen hatten.
Der Mesner wies zur offenen Preßhaustür. „Wenn ich hier sitze, sieht mich keiner von denen, die draußen vorbeigehen. Aber ich sehe alles.“
„Das ist aber recht wenig derzeit, nicht wahr?“
„Zugegeben. Es wird immer ruhiger in der Kellergasse. Aber da, schau, dieser große Hund! Gehört dem Gapmayr. Wird schlecht behandelt, bleibt aber friedlich. Kenn ich übrigens auch von mir. – Aber zu etwas Wichtigerem!“ Der Mesner ließ goldgelben Wein in die Gläser laufen. „Das ist der Grauburgunder. Extraktreich, kräftig und mild. Hat das Zeug zum Prädikatswein.“
Die beiden kosteten, und Polt war durchaus beeindruckt. „Sauber, sauber, mein Lieber. Aber jetzt sag einmal: Gar so gut stehst du ja nicht da, wirtschaftlich meine ich. Entschuldige, aber es hört ja keiner zu.“
„Und wenn.“ Halbwidl lachte. „Daß ich arm wie eine Kirchenmaus bin, weiß doch jeder. Neulich war wieder einmal der Exekutor bei mir. Nehmen Sie Platz. Habe ich gesagt. Das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann.“
„Na ja, so lange dir nicht das Lachen vergeht.“ Polt schaute zur Wand gegenüber. „Was sind das für Fotos in dem alten Bilderrahmen?“
„Die gehören auch zu meinem Lichtspieltheater, alles Erinnerungen, schöne Erinnerungen.“ Der Mesner stand auf, nahm den Rahmen von der Wand und legte ihn vor Polt auf den Tisch. „Da, schau: Ich als Jugendtrainer des FC Brunndorf. Erst gefeiert, dann gefeuert. Und hier: Firmian mit Jagdgewehr. Leider nur geborgt, fürs Foto. Und ist das nichts? Meine Angelobung als Kassenwart beim Kameradschaftsbund. Auch schon Geschichte. Na, und so weiter. Wenn’s mir nicht gut geht, schau ich zu den Bildern hinüber und sage mir: Du warst so allerhand, mein Lieber, und du bist jemand, der Mesner nämlich. So!“ Halbwidl hängte seine gerahmten Erinnerungsstücke an den Nagel und schloß die Preßhaustür. „Vorhang zu! Die Welt kann mich kreuzweise. Ich hol den Blauburger.“
Als die Gläser wieder gefüllt waren, hob der Mesner dozierend den Zeigefinger. „Diese Rebsorte ist aus einer Kreuzung von Blauem Portugieser und Blaufränkisch entstanden. Wissen die Wenigsten. Die verstehen nur was vom Geschäft. Aber manchmal ist auch unsereiner mit dem Latein am Ende. Hast du eine Ahnung, Simon, was die Amalie heute so erschreckt haben könnte? Die ist doch sonst kaum aus der Fassung zu bringen.“
Der Gendarm schüttelte den Kopf. „Im Pfarrhaus weißt du besser Bescheid als ich, und diesen Heinz Hafner kenne ich kaum. Wie ist sie denn übrigens so privat, die Amalie?“
„Anbetungswürdig. Lach nicht, Simon. Ich mein das ernst.“
„Ihr kennt euch näher?“
„Nicht so nahe, wie ich’s gerne hätte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und diesen Hafner könnt ich umbringen, jederzeit.“
„Lieber nicht. Was sagst du übrigens zu diesen eigenartigen Vorfällen in letzter Zeit?“
„Ist doch klar, Simon. Der gestohlene Hahn des Pfarrers, der Scheißhaufen vor dem Gemeindeamt, das Feuer im Zeughaus, das gewilderte
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