Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
Vom Netzwerk:
nicht nur das Auge soll satt werden. Komm mit.“ Sie kamen zu einem eingezäunten Bereich. „Amalie Pröstlers Zaubergarten. So frische und naturbelassene Kräuter und Gemüse wie hier gibt es im besten Feinkostladen nicht. Und gleich daneben hat mein Hühnervolk jede Menge Auslauf: zwei Hennen und ein Hahn.“ Der Pfarrer lachte. „Heißt übrigens Joseph II.“
    Polt stutzte. „Aber der hat doch die Klöster zusperren lassen!“
    „Die Namensgebung hat keine historischen Gründe, mein lieber Simon, sondern höchst aktuelle. Joseph I. ist mir vor einer Woche gestohlen worden. Doch halt, wir bekommen Besuch.“
    Firmian Halbwidl näherte sich in Begleitung der beiden anderen Weinbauern. Er gestikulierte heftig und redete viel. Der Pfarrer seufzte. „Mein Sakristeidirektor! Doppelt so fromm und dreimal so gescheit wie ich. Grüß Gott, die Herren! Gehen wir gleich einmal nach hinten. In der Weinlaube müßte Amalie eigentlich schon etwas vorbereitet haben.“
    Tatsächlich stand dort ein festlich gedeckter Tisch, und davor standen Peter Paratschek und Heinz Hafner, der schon von den Vorspeisen kostete. Kauend drehte er sich zu den anderen Gästen um und hielt eine Gabel hoch. „Petits oignions à l’orientale, wenn ich mich nicht irre. Zwiebelchen in Weißwein gedünstet, mit Tomaten, Knoblauch, Koriander und nicht zu wenig Safran. Hätte der gute, alte Bocuse nicht besser hingekriegt. Alle Achtung.“
    Virgil Winter lächelte. „Normalerweise kocht die Gute ja ziemlich bodenständig, doch manchmal kommt sie auf die seltsamsten Ideen. Was darf es übrigens zum Trinken sein? Den Cabernet Sauvignon kann ich reinen Herzens empfehlen.“
    „Ich auch!“ bemerkte Heinz Hafner und steckte mit einer gezierten Bewegung das Zwiebelchen in den Mund. Polt und die Weinbauern starrten ihn sprachlos an, Ernst Höllenbauer war blaß geworden. Peter Paratschek grinste.
    „Wie war das doch gleich?“ Hafner zückte sein elektronisches Notizbuch. „Farbe extrem dicht, fast schwarz im Zentrum, purpur oder auch bordeaux am Rand. Sehr komplexe Nase: schwarze Johannisbeeren, ein Hauch von grünem Paprika. Und dann, im Mund: Voluminöser Körper, tiefe Frucht, kräftiges Tannin, charaktervolle Säure, eindrucksvoll langer Abgang. Ein absoluter Hammer, um es einmal vulgär zu sagen.“
    „Den Spott können Sie sich sparen.“ Ernst Höllenbauer wandte sich ab.
    Heinz Hafner schaute dem Pfarrer ins Gesicht. „Ich spreche die lautere Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.“
    Virgil Winter neigte den Kopf. „Und letzten Sonntag? Im Keller?“
    „Lug und Trug. Wenn ich schon einmal am Beichten bin, sollte nicht verschwiegen werden, daß ich einen schlechten Charakter habe. Ich spiele gerne mit Menschen, die den Fehler machen mitzuspielen. Ihre Weine, Herr Höllenbauer, sind tadellos und mehr. Aber bei Ihnen fehlt etwas. Selbstbewußtsein, mein Lieber! Sie hätten sich kein falsches Wort von mir gefallen lassen dürfen.“ Peter Paratschek hatte Heinz Hafner bewundernd angeblickt. Jetzt nickte er bedeutsam.
    Ernst Höllenbauer trat dicht an Hafner heran. „Ich habe nicht geglaubt, daß ein Mensch wie Sie im Keller lügt!“
    „Der Teufel hat lange Krallen!“
    Der Pfarrer griff zur Weinflasche. „In Gottes Namen!“ Mit ruhiger Hand schenkte er ein und hielt sein Glas gegen das Licht. „Na bitte. Die Mittagssonne bringt sogar diesen finsteren Burschen zum Leuchten!“
    Heinz Hafner legte eine Hand auf Ernst Höllenbauers Schulter. „Ich muß mich entschuldigen. Ich wollte zwar boshaft sein, aber nicht verletzend.“
    „Ist schon gut“, sagte der Weinbauer mit spröder Stimme.
    „Aber eine Gemeinheit war’s trotzdem“, sagte Sepp Räuschl.
    Ernst Höllenbauer bückte sich, um eine in Papier eingewickelte Flasche aufzuheben, die im Schatten unter dem Tisch lag. „Jetzt fällt es mir leichter, mein Gastgeschenk loszuwerden. Ein ganz besonderer Meßwein, Herr Pfarrer, ein Cabernet Sauvignon Jahrgang 79! Ohne Etikett, wie’s früher so der Brauch war. Aber Sie können den Wein nicht verwechseln, weil’s diese altmodischen Flaschen heute gar nicht mehr gibt.“
    „Da sage ich aber herzlich Dankeschön, Herr Höllenbauer! Den raren Tropfen werde ich mir feierlich zum Sechziger einverleiben. Erst einmal zur Meßfeier und dann privat, und zwar für mich allein. Hat also noch fünf Jahre Zeit.“ Virgil Winter schaute auf seine dickleibige Taschenuhr. „Nehmen wir besser Platz. Die Amalie ist pünktlich und wird bald mit dem

Weitere Kostenlose Bücher