Polt - die Klassiker in einem Band
hier auch schöne Versteinerungen finden, Muscheln, Schnecken und so.“
„Und wer Tollkirschen braucht, kann sich erst recht bedienen!“ Polt war vor hohen Stauden stehengeblieben, an denen glänzende, schwarzviolette Beeren hingen. „Hat der Fürst Franz also recht gehabt, mit seinem Hinweis.“
„Das wundert mich nicht, Simon.“
„Was willst du damit sagen?“
„Daß ich ihn vor ein paar Wochen hier beobachtet habe. Beim Tollkirschensammeln.“
„Ja, verdammt noch einmal, Christian, warum sagst du mir das erst jetzt?“
„Weil es weniger wichtig ist, als du glaubst. Er soll dir einmal seine Hexenküche zeigen. Ich wette, da gibt es genug Gift drin, um das halbe Dorf umzubringen. Experimentiert gerne, der Franz, auch mit sich selbst. Irgendwann hättest du das Kastl mit den Flaschen entdeckt, und dann wärst du wahrscheinlich auf falsche Ideen gekommen. Darum hab ich gedacht, ich sollt’s dir sagen, bei Gelegenheit. Der Franz ist alles andere als harmlos, Simon. Aber bevor der einem Menschen was tut, geht er selber drauf.“
„Die Wilderei neulich hast du ihm schon zugetraut, nicht wahr?“
Der Wolfinger schwieg, nahm eine Tollkirsche und zerdrückte sie. Der dunkle Saft rann über seine Finger. „Das war ein Blödsinn, Simon. Ich war nicht mehr ganz nüchtern, und da ist mir der Ärger über ihn hochgekommen. Er hat einen Jäger ja wirklich aufs Blut reizen können, bei Gott!“
„Ja, schon, aber der eingeritzte Hut neben der Falle war sein Zeichen!“
„Und wenn ihm einer was anhängen wollte, Simon?“
Polt zuckte zusammen. „An dir ist ein Gendarm verlorengegangen.“
Gegen elf Uhr kam Polt ziemlich müde und nachdenklich in die Wachstube zurück. Er trank hastig ein großes Glas Mineralwasser und ging dann in Harald Manks Büro.
„Na, Simon? Fündig geworden?“
„Ja, Harald.“ Polt holte sein Notizbuch hervor. „Ein aufschlußreiches Spiegelbild der Wiesbachtaler Moralvorstellungen vor zwanzig Jahren.“
„Red nicht so geschwollen. Und was nicht unmittelbar im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen steht, vergißt du ganz schnell. Verstanden?“
„Verstanden. Hast du vielleicht eine Ahnung, was die Anfangsbuchstaben H. M. bedeuten könnten?“
Harald Mank stierte Polt ins Gesicht. „Nein. Du?“
„Nein.“
„Na also.“ Dann fing Polts Vorgesetzter an zu lachen. Er wieherte förmlich. Mühsam gewann er die Fassung wieder. „Vielleicht solltest du deine Notizen dem Illustrierten Heimatblatt zuspielen. Mensch, da wär bei uns was los!“
„Jaja. Aber davon abgesehen, mein lieber Freund und Vorgesetzter. Es wär ganz nett von dir gewesen, mich gleich einmal über das flotte Leben der Pfarrersköchin aufzuklären. Hätte mir eine Menge Arbeit erspart.“
„Wer wird denn über Tote Schlechtes reden?“ entgegnete Mank würdevoll.
„Schwachsinn. Der Pfarrer denkt wohl auch so.“
„Mit der heilen Welt im Pfarrhof ist es so oder so vorbei.“
Der Dienststellenleiter war offensichtlich froh darüber, das Thema wechseln zu können. „Wir waren natürlich auch fleißig. Was hältst du vom Kollegen Holzer, so als Mann, Simon?“
„Netter Kerl.“
„Mein ich auch. Aber die Damen der Frauenrunde haben ihn angeschaut, als stünde der Leibhaftige in der Tür, eine wie die andere.“
„Und was haben sie ihm erzählt?“
„Wenig genug, aber alle so ziemlich dasselbe. Fast als hätten sie sich abgesprochen.“
„Hm. Die werden einfach nichts zu tun haben wollen mit dem Unglück im Pfarrhaus.“
„Verständlich. Aber vielleicht werden wir uns doch intensiver um ihre Rolle dabei kümmern müssen. Noch was, lieber Freund und Gruppeninspektor!“
„Was denn?“
„Die gute Amalie hat in Wien offenbar blendend verdient gehabt und muß Zeit ihres Lebens tüchtig gespart haben. Sie ist nämlich als reiche Frau gestorben. Und wer, glaubst du, erbt?“
„Doch nicht der Bruno Bartl?“
„Nein. Der Pfarrer.“
Herbst mitten im Sommer
Am frühen Nachmittag schob Polt sein Fahrrad die Burgheimer Kellergasse hinauf. Franz Fürst ging ihm nicht aus dem Kopf. Die Sache mit den Tollkirschen war natürlich fatal. Vom Schlüssel zum Weinschrank hatte ihm vielleicht der Mesner erzählt. Andererseits, wenn ihm sogar der Wolfinger, mit dem er oft genug Streit gehabt hatte, nichts wirklich Böses zutraute … Aber vielleicht ist der Lehrer schwer betrunken ein anderer Mensch? Nach ein paar Gläsern Wein war er auch schon früher zu ziemlich boshaften Streichen aufgelegt, und
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