Polt - die Klassiker in einem Band
nicht vor, Friedrich.“
„Mir geht’s nicht gut. Genau genommen geht’s mir schon gut. Aber zu viel getrunken hab ich gestern.“
„Wo denn?“
„Im Keller vom Wolfinger. Die Jäger vertragen was, sag ich dir! Willst was trinken?“
„Nein danke. Ich muß auf den Grünberg.“
„Spinnst du? Bei der Hitze?“
„Dienst ist Dienst, Friedrich. Weißt du eigentlich, wo die Teufelsbuche steht?“
„Was hast du denn dort zu suchen? Na, ist ja egal. Du gehst einfach geradeaus Richtung Gipfel, und kurz bevor du ganz oben bist, zweigst du nach links ab. Die Teufelsbuche ist der höchste Baum im ganzen Wald, kannst sie nicht verfehlen.“
„Und der Steinbruch?“
„Da wirst du suchen müssen. Ein paar hundert Meter von der Anhöhe entfernt führt ein schmaler Weg hin, ziemlich zugewachsen. Früher war das alles schön ausgeschnitten, weil der Steinbruch ein beliebtes Ausflugsziel gewesen ist. Am Kirtagnachmittag hat sich das halbe Dorf dort getroffen. Das war vielleicht ein Theater!“
„Besser als Fernsehen, nicht wahr?“
„Ja und nein. War eine andere Zeit.“
Vom Tal her gesehen, war der kaum 500 Meter hohe Grünberg eine recht bescheidene Erhebung. Dennoch brachte der Anstieg Polt gehörig ins Schwitzen. Erst ging es durch einen steilen Hohlweg bergan, dann erreichte der Gendarm einen ausgedehnten Kahlschlag. Wieder am Waldrand angelangt, konnte er keine Fortsetzung des Weges finden, drang aber unverdrossen durch dichtes Unterholz vor. Endlich sah er eine dunkle Baumkrone, die den Wald ringsum überragte. Die Teufelsbuche stand inmitten einer kleinen Lichtung, starke Wurzeln krallten sich in den felsigen Untergrund. Polt trat näher und griff mit beiden Händen an den mächtigen Stamm. „So, alter Knabe. Erzähl mir was!“
Manche von den in die Rinde geschnitzten Zeichen konnte Polt nicht mehr lesen, andere schon. Er holte seinen Notizblock hervor.
„Da schau ich aber! Ein Gendarm im Jagdrevier!“
Polt drehte sich um und sah Christian Wolfinger, der langsam näherkam und sich dabei an die Stirn griff.
„Ist was, Christian?“
„Es war was, Simon.“
„Ich weiß. Du und der Kurzbacher im Keller.“
„Bist ja recht gut informiert für einen Gendarmen. Und was willst du hier?“
„Ich würde gerne wissen, wer von den Männern mit der Pfarrersköchin zu tun hatte, damals, als sie noch jung und lustig war.“
„Dann bist du goldrichtig bei der Teufelsbuche. Da schau einmal: CH. W.! Ich war übrigens einer der erfolgreichsten.“
„Wie erfolgreich?“
„Ja, weißt du, ich glaub kaum, daß sie einer von uns wirklich herumgekriegt hat. Aber eine feste Schmuserei war für mich schon drin, mit ein paar verbotenen Griffen. War ja auch was da, mein Lieber!“
„Hab ich’s mir doch gedacht.“ Polt hatte ein F. K. entdeckt. „Wird wohl Friedrich Kurzbacher heißen.“
„Klar.“ Wolfinger grinste. „Kennst du den?“ Er zeigte auf ein G. M.
„Dazu fällt mir im Augenblick keiner ein.“
„Weil du dich nicht nachdenken traust. Gregor Mantler. Der Bürgermeister von Burgheim. Und hier: H. M.!“
Jetzt grinste Polt. „Wenn das Harald Mank heißt, ist das für mich so viel wie ein Lotto-Sechser.“
„Hast schon gewonnen.“
Eine gute halbe Stunde lang versuchten die Männer, möglichst viele Initialen zu erkennen. Dann steckte Polt seinen Notizblock ein. „Alle Achtung. Da war ja ganz schön was los, damals. Zwei Namen fehlen aber, die ich auf jeden Fall hier erwartet hätte: Firmian Halbwidl und Franz Fürst.“
„Ja, die zwei. Der Firmian war sich immer zu gut dafür, mit unserem Rudel mitzutun. Der hat seine Amalie rein und innig geliebt, ganz ohne schmutzige Absichten.“
„Und der Fürst Franz?“
Wolfinger neigte den Kopf. „Wenn ich einem den Abschuß zutraue, dann ihm. Der hat es nicht notwendig gehabt, mit eingeschnitzten Buchstaben anzugeben. Ein bewunderter Lehrer und dabei der wildeste Hund von allen.“
„Wenn du schon da bist, Christian. Kennst du den Weg zum Steinbruch?“
„Freilich. Was suchst du denn dort?“
„Keine Ahnung.“
„Das ist ja wie in einem Backofen hier!“ Polt schaute sich um. Die Wände des Steinbruchs, nach Süden hin geöffnet, umfingen eine annähernd ebene Fläche. Zwischen Sträuchern lagen große Felsbrocken. „Hat die Amalie das hier gekannt?“
„Und ob. So viele Möglichkeiten hat’s nicht gegeben, mit ihr allein zu sein. Die einen haben ihr also den Keller gezeigt und die anderen den Wald. Übrigens kannst du
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