Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
Vom Netzwerk:
feierlich gesprengt. Und dann hat er wieder von seinem mageren Gehalt für die Schule einen Fernseher gekauft, Fahr­räder und sogar einen VW-Bus. Wo Liebe rechnet, da wird sie arm, hat er gerne und oft Shakespeare zitiert.“
    Polt überlegte. „Jaja. Und dann hör ich ihn noch sagen, ausnahmsweise autoritär: Nach meinem Tod sollen meine Freunde essen und trinken und mich gefälligst hochleben lassen!“
    „Meinst du wirklich? Ich glaube nicht, daß ich einen Bissen hinunterbringe. Andererseits: Recht hast du, das könnt schon zu ihm passen.“
    Polt war aufgestanden. „Na also. Wir fressen uns einfach durch den Junggesellenkühlschrank. Was haben wir da schönes? Butterkäse und Essiggurkerl, Selchfleisch und Sardellenringerl, Knoblauchwurst und Bienenhonig, Holundersaft von der Frau Kurzbacher, Speck von der Frau Höllenbauer, Brombeermarmelade von der Frau Hahn und Quittengelee von der Karin Walter.“
    „Ganz schöner Harem, der dich da beliefert!“
    „Man tut, was man kann. Rotwein ist auch noch da.“
    „Soll ich helfen?“
    „Das wär ja noch schöner. Weiberwirtschaft wird hier nicht geduldet.“
    „Soso. Und wie kommt dann dieser merkwürdige Damenhut ins Vorzimmer?“
    „Hast du ihn also doch gesehen.“ Polt erzählte von der nächtlichen Verunstaltung des steinernen Löwen, dann aber auch von Amalie Pröstler und der Teufelsbuche auf dem Grünberg, von den Vermutungen, die er hegte, und von der Angst, die ihn nachts nicht mehr recht schlafen ließ und ihn tagsüber vor sich her trieb.
    Karin Walter legte eine Hand auf Polts Knie. „Einen schönen Beruf hast du dir da ausgesucht.“
    „Das wird schon wieder, Karin. Lange kann’s nicht mehr dauern und es ist wieder ruhig im Wiesbachtal, so oder so. Übrigens hätte ich jetzt ganz gerne meinen Kinderglauben wieder.“
    „Warum?“
    „Weil sich dann der Franz Fürst und die Amalie Pröstler auf einer sündhaft rosaroten Wolke tummeln würden und ihren himmlischen Spaß daran hätten.“
    „Wer weiß? Vielleicht haben sie?“ Die Lehrerin gähnte. „Simon?“
    „Ja?“
    „Ich bin nur noch müde.“
    Bald darauf war Karin eingeschlafen. Polt umfing sie schützend mit den Armen und wäre am liebsten bis ans Ende seiner Tage so dagesessen. Doch dann beschloß er, daß sich die Lehrerin ordentlich ausruhen sollte, hob sie vorsichtig hoch und trug sie zu seinem Bett. Da lag sie denn, und Polt betrachtete sie scheu, als täte er etwas Verbotenes. Er knipste das Licht aus, suchte tastend seine Betthälfte, legte sich vorsichtig hin und schloß die Augen.
    Mitten in der Nacht wachte er auf, erschrak erst ein wenig, dann aber fiel ihm ein, daß es nur Karins Finger sein konnten, die sich an seinen Hemdknöpfen zu schaffen machten. Er konnte ihren Atem im Gesicht spüren.
    „Schläfst du immer so, Simon? Ich meine, so angezogen?“
    „Nein, nicht immer.“
    Gegen sieben Uhr früh wurde er sanft wachgerüttelt und blinzelte zu Karin hinauf.
    „Simon, Lieber, das Leben geht weiter. Bedenke, daß eine pädagogisch wertvolle Person bei dir übernachtet hat.“
    Polt lächelte. „Wem sagst du das.“
    „Jedenfalls muß ich zum Unterricht. Entschuldige, daß ich mich ohne zu fragen in deinem Badezimmer umgetan hab. Ich wollte dich so lange wie möglich schlafen lassen. Übrigens brauchst du eine neue Zahnbürste. Und deine Hose hat einen Fettfleck hinten. Das Frühstück steht auf dem Tisch. Ich hoffe, du magst es so.“
    Als Karin gegangen war, blieb Polt noch eine Weile liegen und versuchte in jene Wirklichkeit zurückzufinden, die für ihn gestern noch alltäglich gewesen war. Dann stand er auf und betrachtete sein verschlafenes Gesicht im Spiegel. „Mit so einem geht man doch nicht ins Bett“, murmelte er und fügte heiter hinzu: „War auch nicht der Fall. Ich hab sie ja getragen.“
    Herrenbesuch
    Simon Polt ertappte sich dabei, daß er den von Karin Walter liebevoll gedeckten Frühstückstisch nicht nur gerührt ins Auge faßte. Er rückte auch dies und jenes zurecht, bis die vertraute Ordnung wieder hergestellt war.
    Nach dem Frühstück war es höchste Zeit für den kurzen Weg ins Wachzimmer. Dort schaute ihm Harald Mank, der gerade mit Ernst Holzer Kaffee trank, erstaunt entgegen. „Grüß dich Simon! Was treibt dich zu uns, so früh am Morgen?“
    „Mein Pflichtbewußtsein. Dienst ist Dienst.“
    Harald Mank grinste niederträchtig. „Und eben dieser beginnt für dich heute erst am Abend. Was hat dich denn derart verwirrt, Simon?

Weitere Kostenlose Bücher