Polt - die Klassiker in einem Band
Darf ich raten? Na, ich tu’s besser nicht.“ Dann wurde Mank ernst. „Der Fürst Franzl hat’s geschafft. Du wirst es ja wissen.“
„Ja. Gibt es irgendwelche offenen Fragen?“
„Nein. Ein klassischer Fall von zu Tode gesoffen, um es einmal pietätlos auszudrücken. Jetzt wär’s natürlich angenehm, wenn wir ihm diese üblen Streiche der letzten Zeit in die Schuhe schieben könnten. Und seine Beziehung zur Pfarrersköchin war ja auch recht fragwürdig.“
„Fragwürdig? Die zwei haben sich einfach gut verstanden.“
„So kann man es natürlich auch nennen. Vielleicht hat er sie dem Herrn Pfarrer nicht mehr gegönnt?“
Polt fühlte Wut in sich hochsteigen. „Es fällt dir ziemlich leicht, dem besten Lehrer, den es hier je gegeben hat, alles Schlechte zuzutrauen, wie?“
„Menschen ändern sich, Simon.“
„Aber nur äußerlich. Und jetzt bin ich grantig und geh.“
„War nicht so gemeint.“
„Hoffentlich.“
Rechtzeitig besann sich Simon Polt darauf, daß er eigentlich glücklich war. Karin, ein eigenes Preßhaus, mehr konnte er sich gar nicht wünschen. Er beschloß also, diesen Tag, den er sonst ja doch nur verschlafen und vertrödelt hätte, festlich zu begehen.
Die letzte Zeit über hatte er fast schon vergessen, daß er nunmehr Haus und Boden besaß. Von wegen! Polts verbrieftes Eigentum maß kaum sechzig Quadratmeter und endete mit der Dachtraufe. Die Bäume und Büsche rund um das Preßhaus standen auf Gemeindegrund. Aber sie gehörten ihm ja trotzdem, so irgendwie wenigstens.
Als er dann in der kleinen Lichtung vor seinem Preßhaus stand, kam unversehens die Freude über ihn. Er machte einen Luftsprung und stieß einen urtümlichen Schrei aus. Dann ging er zum Fahrrad, nahm einen braunen Papiersack vom Gepäckträger, öffnete behutsam die morsche Kellertür und legte sein Mittagsmahl ins Kühle. Wieder im Tageslicht, ging er ins Preßhaus und schaute sich gemächlich um. Gleich neben der Tür stand eine große Blechtonne. Ignaz Reiter hatte das Problem der Wasserversorgung offensichtlich sehr klug gelöst: Das Abflußrohr der Dachrinne war durch die Wand ins Haus geleitet, wo eine Regentonne stand.
Möbel, bäuerliches Gerät und andere Sammelstücke füllten den Raum derart, daß Polt nur wenige Schritte tun konnte. Im Dachgebälk stand ein Lastschlitten, daneben lagen große hölzerne Rechen. Die Wände waren über und über von Bildern bedeckt. Da gab es alte Ansichtskarten, Kunstdrucke mit Bibelszenen, ein großes Bild, das Kaiser Franz Joseph zeigte, das Foto einer Tänzerin im Tüllkleid mit aufreizend nackten Schultern, Filmplakate und Seiten aus Kinderbüchern, manche davon mit Buntstift ausgemalt. Auf einer kleinen Schiefertafel stand mit Kreide Einschlag 7. Aug. geschrieben. An diesem Tag also hatte Ignaz Reiter seine Fässer zum letzten Mal geschwefelt.
Polt, der eben einen geschnitzten Vogel von der Wand genommen hatte und ihn vom ärgsten Staub befreite, horchte auf, als er von der Kellergasse her ein Motorgeräusch hörte, das ihm verteufelt bekannt vorkam: Ein verhaltenes, aber kraftvolles Grollen und Grummeln.
Rasch legte er den Vogel beiseite, trat ins Freie und stand nach ein paar Schritten vor einem tiefschwarzen Roadster, gelenkt von Heinz Hafner. „Mein lieber Inspektor Polt! Welch angenehmes Wiedersehen.“
Der Gendarm starrte ihn sprachlos an.
„Es ist nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden. Kenn ich von mir.“ Hafner stieg aus und streckte sich. „An die tausend Kilometer seit Mitternacht. Das geht in die Knochen, und sehr wahrscheinlich habe ich Schwielen am Arsch. Ihr Chef war so freundlich mir zu sagen, wo ich Sie finden könnte.“
„Wo zum Teufel waren Sie denn? Was haben Sie getrieben, die ganze Zeit über?“
„Mit Freund Pietro Montanari den Oliven beim Reifen zugeschaut. Mörderisch roten Raboso getrunken und in Bologna in der Basilika San Petronio ein Kerzlein für die arme Amy Pröstler entzündet. – Ist das Ihr Preßhaus, Herr Polt?“
„Ja, von hinten.“
„Dann wollen wir doch gleich einmal die Vorderansicht genießen.“ Polt ging voran, Hafner war so dicht hinter ihm, daß der Gendarm sein Rasierwasser riechen konnte. Auf der Lichtung drehte sich der Besucher leichtfüßig im Kreis, schaute dann neugierig zur Kellertür hinunter und stieß einen Seufzer aus. „Sehr schön, wirklich, sehr, sehr schön.“ Er näherte sich der Preßhaustür. „Ist es gestattet?“
„Warum nicht?“
Hafner trat ein und
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