Polt - die Klassiker in einem Band
Das Blau war anders geworden, durchsichtiger, spröder, und auch die drückende Hitze der letzten Tage war gebrochen.
Polt ging am Gemeindeamt und am Kriegerdenkmal vorbei Richtung Kellergasse, bog aber zuvor in einen schmalen Güterweg ab, der sich an die hundert Meter von den Preßhäusern entfernt den Hang hochzog. Dann wandte er sich dem oberen Ende der Kellergasse zu, wo auch sein eigenes Preßhaus zu finden war. Er betrat die kleine Lichtung, legte für ein paar Sekunden eine Hand auf die sonnenwarme Holztür und ging weiter. Seltsamer Weg, so eine Kellergasse, überlegte er, nämlich einer, der seine Ziele nicht an den Enden hat, sondern in sich.
Einige Preßhaustüren waren geöffnet, vor manchen standen Weinbauern in der Abendsonne. Polt grüßte freundlich, ließ sich aber nicht aufhalten. Vor Ernst Höllenbauers Preßhaus stand ein Auto mit Wiener Kennzeichen. Weinkundschaft, vermutlich.
Auch die Tür von Firmian Halbwidls Preßhaus stand offen. Der Mesner war gerade dabei, den kleinen Tisch abzuwischen.
„Grüß dich, Simon! Ein bißchen Dreck kann ja nicht schaden. Andererseits, wenn Besuch kommt …“ Er warf das feuchte Tuch in einen Plastikkübel. „Ich muß dir was zeigen.“ Halbwidl ging zur Kellertür, öffnete sie und winkte Polt zu sich heran. „Um diese Tageszeit scheint die Sonne durchs Preßhaus bis in den Keller. Schön, nicht wahr?“
Unten angelangt, stellte sich der Mesner in den Lichtstrahl. „Fehlt nur noch eine Stimme vom Himmel: Das ist mein geliebter Firmian, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“
„Das läßt du den Pfarrer besser nicht hören!“
„Über den wollte ich gerade mit dir reden, Simon. In den Keller mit dir! Ich hab eine Flasche 97er Grauburgunder gefunden. Die kommt heute dran.“
Polt schaute dem Firmian ins Gesicht. „Dir geht’s wieder besser?“
„Ja, schon.“
Der Mesner öffnete die Flasche und schenkte ein. „Prost, Simon.“ Er kostete. „Ich will mich ja nicht selber loben.“
„Schon passiert. Also was ist los mit dem Pfarrer?“
„Er hat mit mir geredet, aber nicht so wie sonst. Es war ein langes und ernsthaftes Gespräch. Noch nie hat jemand so mit mir geredet. Keine Spur mehr von dieser salbungsvollen Ironie, die mich immer geärgert und gekränkt hat. Er ist ernsthaft auf mich und mein Leben eingegangen.“
„Genauso gehört sich das.“
„Wir haben aber auch über die Amalie gesprochen, so von Mann zu Mann, und mit jedem Fehler, den der Herr Pfarrer zugegeben hat, sind mir meine Fehler deutlicher bewußt geworden. Jetzt seh ich vieles anders. Und wenn es wirklich ein Selbstmord war, Simon, waren einige daran schuld, darunter auch ich. Es reicht nicht, einen Menschen zu vergöttern. Man muß auch was tun für ihn. Und das eigenartige Verhalten vom Hochwürden versteh ich jetzt auch besser. Ich glaube nicht, daß du da irgendeinen Verdacht haben mußt.“
„Und wie ist das jetzt mit dir als Mesner?“
„Der Pfarrer hat mich herzlich gebeten, daß ich nicht weggeh. Gebeten, Simon! Vor ein paar Wochen hätte er mich damit zu einem glücklichen Menschen gemacht. Aber eine ganz kleine Freude geht sich jetzt auch noch aus.“
Polt trank sein Glas leer. „Schön für dich, Firmian. Mir geht’s nicht ganz so gut. Es ist Unrecht geschehen, und ich muß herausbekommen, wer dahintersteckt, ob mir das paßt oder nicht. Vielleicht kannst du mir helfen. Aber ich bin nicht als Gendarm da. Wenn du jetzt sagst, daß ich gehen soll, um dir den schönen Abend nicht zu verderben, dann geh ich.“
„Nein, Simon, du bleibst.“
„Dann komm nach oben. Es kann dauern.“
Die beiden nahmen auf den Kinosesseln im Preßhaus Platz. Polt stellte sein leeres Glas auf den Tisch und wehrte vorerst ab, als der Mesner einschenken wollte. „Später, ich brauch jetzt meinen Kopf. Na ja, ein Schluck kann vielleicht nicht schaden. – Du wirst dir ja schon Gedanken über die Kündigung der Amalie gemacht haben. Ist ein bißchen plötzlich gekommen, wie?“
„Für mich auf jeden Fall. Aber auch der Pfarrer war wie vor den Kopf gestoßen, hat er mir erzählt.“
„Wer kennt sich schon wirklich aus mit Frauen!“
„Ja, wer? Ich jedenfalls nicht. Weißt du übrigens, Simon, daß ich es einmal zu einer richtigen Freundin gebracht habe?“
„Nein.“
„Das ist lange her. Ich sag trotzdem keinen Namen. Jedenfalls sind wir halbe Nächte zusammengehockt und haben über Gott und die Welt geredet. Sogar ein bißchen zärtlich hab ich zu ihr sein
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