Polt - die Klassiker in einem Band
bei Karin Walter geblieben. Von der Eisweinlese hatte er ihr nichts erzählt. Sie sollte glauben, daß er noch genug Schlaf bekommen konnte, in dieser Nacht.
„Aufwachen, Simon!“ Friedrich Kurzbachers Stimme war heiser. Er hatte gerade eine arge Verkühlung hinter sich gebracht. „Schlafen kannst nachher, im Dienst!“
„Das denkst du dir so.“ Polt nahm die Butte wieder auf den Rücken und ging zu den anderen.
„12 Grad minus, so ist es recht!“ hatte der Fürnkranz befriedigt festgestellt, als er und seine Helfer nachts mit der Arbeit begannen.
Seitdem zog sich ein schwerfälliges Ritual Stunde um Stunde hin. Die Weinbauern nahmen die Mühe mit selbstverständlicher Gelassenheit auf sich, und Polt bewunderte ihre zähe Ausdauer. Müde griff er wieder zur Rebschere und fragte sich, ob es denn wirklich eine gute Idee gewesen war, seine Hilfe anzubieten. Doch, ja, gab er sich stumm zur Antwort, eine sehr gute Idee sogar. Die vier hier im Weingarten taten etwas Besonderes, und es würde zu einem außergewöhnlichen Ergebnis führen. Den anderen im Tal fiel nichts Besseres ein, als zu schlafen. Polt lachte.
„Spinnst?“ Friedrich Kurzbacher warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, erwartete aber keine Antwort.
Gegen acht Uhr früh war die Arbeit beendet.
„Paßt.“ Karl Fürnkranz schaute zum anderen Talhang hinüber. Der Himmel war heller geworden, und die niedrigste Hügelkuppe hatte einen schmalen leuchtenden Rand. „Bis die Sonne da ist, sind wir im Preßhaus. Los, aufsteigen!“
Fürnkranz startete den Traktor, die anderen setzten sich auf die Ladewände des Anhängers und hielten sich an den Bottichen fest.
Der schmale, leicht abschüssige Güterweg war eisglatt. Trotz der langsamen Fahrt war die Kälte jetzt noch mehr zu spüren. Die Männer schauten grimmig drein und schwiegen, bis ihr Ziel erreicht war.
Das Preßhaus war eines der größten in der Gegend und stand abseits der Burgheimer Kellergasse ganz für sich zwischen den Weingärten und den Äckern am Talgrund. Es war wohl auch älter als die anderen Gebäude, vielleicht Herrschaftsbesitz gewesen, dereinst. Jedenfalls waren sieben Generationen der Familie Fürnkranz als Eigentümer ausgewiesen.
Der Traktor kam hinter dem Preßhaus zu stehen. Etwa einen Meter unter der Dachtraufe klaffte eine annähernd quadratische Öffnung in der weißgekalkten Mauer, das Gaitsloch.
„Ich hab die Rutsche in den Preßkorb schon hergerichtet.“ Fürnkranz machte ein paar vorsichtige Schritte auf dem hartgefrorenen Boden. „Fangt ihr schon einmal mit dem Schaufeln an, ich geh voran ins Preßhaus.“
Die ersten Trauben polterten als Eisbrocken in die Tiefe.
Nach einer Weile war die Stimme des Weinbauern von unten zu hören. „Bin schon da, nur weiter, weiter, Leute, es muß rasch gehen!“
Und dann, vielleicht zehn Minuten später: „So, aufhören. Und hereinkommen!“
Als Polt und die anderen eintraten, stand Fürnkranz oben neben dem Preßkorb und drückte mit einem großen hölzernen Stempel, dem Mostler, die Trauben zurecht. Vor der Presse stand ein großgewachsener Mann, der eine dicke Daunenjacke trug. Er schaute den Männern entgegen. „Guten Morgen, die Herrschaften, Max Wehdorn mein Name, Kellereiinspektor.“
Das Preßhaus war von einer elektrischen Arbeitsleuchte erhellt. Tageslicht fiel nur durch die offene Tür herein. Die kleinen Fensteröffnungen waren mit Brettern verschlossen. Eine große Baumpresse füllte gut die Hälfte des Raumes der Länge nach aus, rechts davor standen ineinandergeschobene Bottiche und Arbeitsgerät, auf der anderen Seite ein Tisch mit einfachen Bänken und Sesseln. Unter dem Preßbalken führten wenige Stufen zur Kellertür hin.
Fürnkranz machte einen schwerfälligen Sprung auf den Ziegelboden. „So. Jetzt wird’s spannend.“ Er hob ein kleines Gerät hoch. „Kennen Sie das, Herr Gendarm?“
„Wo ist ein Gendarm?“ Polt rieb sich die kalten Hände. „Aber auch so habe ich keine Ahnung.“
„Ein Refraktometer. Dient zur Bestimmung der Zuckergrade. Wenn der Riesling jetzt nicht dreißig, wenigstens achtundzwanzig Klosterneuburger Mostgrade hat, brauchen wir gar nicht anzufangen mit dem Pressen. Insgesamt müssen wir auf 25 Grad kommen, alles andere ist kein Eiswein.“
Polt war interessiert nähergetreten. „Ah ja. Und darum ist der Kellereiinspektor da.“
„Hat wie immer den Durchblick, unser Herr Gendarm. Muß angemeldet werden, so eine Pressung. Davon einmal abgesehen, bin ich
Weitere Kostenlose Bücher