Polt - die Klassiker in einem Band
Tag zurück nach Hause, kochte Kaffee und fuhr dann mit dem Fahrrad nach Brunndorf.
Christian Wolfingers Haus stand gleich am Ortseingang, aber nicht in einer Reihe mit den anderen Höfen, sondern ein wenig vom Straßenrand abgerückt, so daß Platz für einen kleinen Vorgarten blieb. Die Haustür war unversperrt. Der Gendarm fand den Junggesellen beim Frühstück. „Guten Morgen, Herr Inspektor. Magst du auch was?“
„Nein danke, ich habe schon.“
Wolfinger biß mit aufreizendem Behagen in eine Buttersemmel. „Wer weiß, wann ich wieder einmal so etwas Gutes kriege.“
Polt wischte ein paar Brösel vom Tisch. „Ich frage mich, ob ihr euer Spiel durchhalten werdet. Mit mir könnt ihr vielleicht umgehen, aber nicht mit Staatsanwälten und Richtern.“
„Wir werden einfach bei der Wahrheit bleiben. Was soll da viel passieren?“
„Und am Ende sitzen vier im Gefängnis statt einem.“
„Ja. Alle vier, die den Hahn auf dem Gewissen haben.“
„Hört sich sehr tapfer an, theoretisch.“
„Wir werden sehen. Hör einmal, Simon – oder soll ich Herr Inspektor sagen? Wir haben aus freien Stücken für dich reinen Tisch gemacht. Tu jetzt einfach, was deine Pflicht ist, und laß uns in Frieden.“
„War das ein Hinauswurf?“
„Natürlich nicht. Aber ich habe ganz gerne meine Ruhe beim Frühstück.“
Auch Ferdinand Kurzbacher war noch zu Hause und saß mit seiner Frau, der Elisabeth, am Küchentisch. Sie freute sich über Polts Besuch. „So was, der Herr Inspektor!“ Dann ging sie eilig ins Nebenzimmer und kam mit einem gehäuften Teller mit Weihnachtsbäckerei zurück. „Greifen Sie zu, es ist ja die Zeit dafür.“
„Noch nicht ganz, Frau Kurzbacher“, sagte der Gendarm freundlich.
Ihr Mann warf einen raschen Blick auf die Küchenuhr. „Du wirst wahrscheinlich Wein brauchen, Simon, nicht wahr? Ich bin dann sowieso im Preßhaus draußen, so gegen elf.“
„Das ist gut. Bitte entschuldigen Sie, Frau Kurzbacher, wenn ich es eilig habe. Aber das nächste Mal falle ich über Ihre Kekse her wie ein hungriger Wolf.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
Josef Schachinger wohnte nur drei Häuser weiter. Das Hoftor war verschlossen, also klopfte Polt an das Fenster, das sich bald darauf öffnete. „Mein Mann ist gleich nach dem Frühstück in den Keller gefahren“, gab Frau Schachinger Auskunft, als sie den Gendarmen erblickte. Dann schaute sie besorgt drein. „Ist irgendwas?“
„Bin ich vielleicht in Uniform?“ Eilig stieg Polt aufs Rad.
Noch war es nicht richtig Winter. Nebel hing in kahlen Baumkronen, die Luft war naßkalt und roch nach verfaultem Grün. Ein paar Bauern waren mit Traktoren unterwegs, die Anhänger hoch mit Futterrüben beladen. Polts Atem ging schneller, als er die leicht ansteigende Straße zwischen Brunndorf und der Kellergasse hinter sich hatte.
Die Tür von Josef Schachingers Preßhaus stand tatsächlich offen. „Ich bin’s, Simon Polt!“
„Nein, so eine Überraschung!“ klang es aus dem Keller herauf. Der Weinbauer hatte eine Flasche von jenem Rotwein vor sich stehen, den Polt inzwischen nur zu gut kannte. „Ich habe Sie später erwartet, Herr Inspektor. Dann wäre ich wenigstens schon so richtig schön besoffen gewesen.“
Polt setzte sich zu ihm. „Aber Sie werden einen klaren Kopf brauchen, in nächster Zeit.“
„Noch so ein guter Ratschlag, und Burgheim braucht einen neuen Gendarmen.“
„Sie können mich noch immer nicht leiden, wie?“
„Nehmen Sie’s nicht persönlich. Ich habe was gegen Uniformen.“
„Sehen Sie eine?“
„Nein. Heute sind Sie als Zivilist verkleidet. Trinken Sie was?“
„Im Augenblick ist mir die Lust dazu vergangen.“
„Versteh ich nicht. Sie haben doch, was Sie wollten. Und gleich viermal.“
Polt spürte, daß irgendeine Sicherung durchbrannte. „Verdammt noch einmal, vielleicht haben Sie recht. Stoßen wir also darauf an.“
Damit begann einer der seltsamsten Vormittage, die Polt je erlebt hatte. Erst tranken die beiden Männer schweigend, dann fing Schachinger an zu erzählen, wie er seine Frau kennengelernt hatte, drüben, bei den Tschechen, die er ja sonst nicht so mochte. Vom Autohändler erzählte er, der ihn neulich hatte betrügen wollen, und vom einzigen Urlaub, den er sich je gegönnt hatte: in Spanien, wo der Wein zum Wegschütten war. Irgendwann hörte sich Polt von seinem Kater Czernohorsky erzählen und von der Lehrerin, die er rein beruflich äußerst schätze. Nach einer ungemessenen
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