Polt - die Klassiker in einem Band
Spanne Zeit trat er ans Tageslicht und schob sein Fahrrad neben sich her, bis er Friedrich Kurzbachers Keller erreicht hatte.
Sein Freund stand vor dem Preßhaus. „Grüß dich, Simon“, sagte er. „Es ist drei Uhr Nachmittag und du hast einen Rausch.“
Simon Polt sah den Tatsachen schweigend ins Auge. Kurzbacher schob ihn ins Preßhaus, ging zu einem kleinen Kasten, hantierte an einer Konservendose herum und stellte sie geöffnet auf den Tisch. „Da, iß. Sardinen, fett und scharf. Das hilft vielleicht.“
Polt aß und fragte zwischen zwei Bissen: „Und wer stellt mir Sardinen hin, wenn du nicht mehr da bist, Friedrich?“
Der Kurzbacher zögerte keinen Augenblick. „Mein Schwager, der Otto, du kennst ihn. Alles schon organisiert, mein Lieber.“
„Und deine Frau?“
„Die wird wohl zur Tochter ziehen, wo sie doch ihre Enkel so gern mag.“
Langsam konnte Polt wieder geradeaus denken. „Und wenn ich nicht nachlasse, bis ich den von euch gefunden habe, der’s wirklich war?“
„Dann wirst du wahrscheinlich auf mich kommen. Ich bin am nächsten dran und habe allen Grund dazu gehabt, den Hahn zum Teufel zu schicken.“
„Du warst es aber nicht.“
„Woher willst du das wissen?“
„Und warum der alte Stepsky sagt, daß ich dir helfen soll, verrätst du mir auch nicht?“
„Der redet viel, wenn der Tag lang ist.“
„Morgen bin ich wieder im Dienst. Ich werde einen Bericht schreiben müssen. Und dann bin nicht mehr ich für euch zuständig.“
„Dann kommen so richtig harte Burschen, was?“
„Das ist kein Spiel, Friedrich.“
Der Kurzbacher schaute ein paar Sekunden ins Leere.
„Jetzt kann aber keiner mehr zurück, und es will auch keiner mehr zurück.“
„Ich möchte noch mit dem Brunner Karl reden.“
„Kannst du, ich habe ihn gerade vorhin bei seinem Preßhaus gesehen.“
„Also dann!“ Polt stand auf. Nach ein paar Schritten hörte er Kurzbacher rufen: „Simon!“
„Ja, Friedrich?“
„Paß mit dem Trinken auf!“ Natürlich spürte Polt noch immer die Wirkung von Schachingers Rotwein, aber sie spielte sich irgendwo im Hintergrund ab. Wenn die Anspannung erst einmal nachließ, war es mit den nüchternen Gedanken wohl auch wieder vorbei.
Karl Brunner war in seinem großen Keller damit beschäftigt, die Fässer sauberzuwischen. Er nickte Polt freundlich zu. „Ist jetzt nicht mehr so wichtig, wie sie ausschauen, aber es gehört sich halt so.“
Polt schaute sich um: ein großer, schöner, aufgeräumter Keller, ein dunkles Königreich für einen Mann. „Entschuldigen Sie, wenn ich so was frage: Sie waren nie verheiratet, Herr Brunner?“
„Nein. Ich wär’s schon ganz gern gewesen, aber die Zeit hat nie richtig gepaßt. Als ich zur Welt gekommen bin, war gerade der Erste Weltkrieg aus. Vor dem nächsten Krieg habe ich keine gefunden, und nachher hat’s mich nicht mehr gefreut. Aber ich bin auch so alt geworden.“
„Jetzt möchte ich aber noch was wissen: Von den vieren, die Albert Hahn getötet haben wollen, sind Sie doch der einzige, der nie Probleme mit ihm hatte.“
„Stimmt.“
„Und warum haben Sie dann mitgetan?“
„Wenn Feuer auf dem Dach ist, muß jeder löschen, auch wenn es nicht um das eigene Haus geht, Herr Inspektor.“
„Und was jetzt kommen wird, schreckt Sie gar nicht?“
„Nicht mehr als ein Unwetter oder eine kranke Sau.“
„Ich habe vor ein paar Tagen mit dem alten Herrn Stepsky geredet: Ihnen braucht keiner zu helfen, hat er gesagt.“
„Vielleicht weiß der Anselm was. Was weiß er eigentlich nicht.“
„Und was könnte er wissen?“
„Sie sind ein hartnäckiger Mensch, Herr Inspektor. Und ich bin ein kranker Mensch. Krebs. Ein paar Monate werd ich’s noch machen, nicht mehr.“
Polt war es, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen. Brunner lächelte ihm zu. „Erschrecken Sie nicht. Ich kann ganz gut mit dem Sterben leben. Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas, wenn ich schon einmal beim Reden bin: Es ist ein Blödsinn, daß sich die drei anderen als Helden aufspielen. Zwei von denen haben eine Frau zu Hause.“
„Wollen Sie damit sagen …“
„Genau das. Mir hat im Leben nicht mehr allzuviel zustoßen können. Also habe ich den Schlauch der Dunstwinde in das Verbindungsloch zum Keller von Albert Hahn gesteckt und dafür gesorgt, daß er voll Gärgas war, bis unser Opfer gekommen ist.“
„Und dann?“
„Der Kurzbacher ist zu mir herübergerannt und hat gerufen: Unten ist er. Jetzt haben wir ihn! Wir
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