Polt - die Klassiker in einem Band
ihn.
„Es geht noch immer um diesen Albert Hahn, nicht wahr?“
„Ja. Ich stecke in einer Sackgasse, und heute hat mir unser Bürgermeister liebevoll und drastisch klargemacht, daß ich da nicht stehenbleiben darf.“
„Man merkt, daß der Mann früher einmal Lehrer war. Erzählen Sie! Ach was, sag du zu mir, Karin heiß ich.“
„Gut“, murmelte Polt zerstreut. „Simon. – Die Sache ist die: Ich bin davon überzeugt, daß der Tod von Albert Hahn kein Unfall war.“
„Keine fixe Idee?“
„Nein, begründete Überzeugung.“
„Und wie ist es vermutlich geschehen?“
„Jemand hat absichtlich Gärgas in den Keller von Albert Hahn geleitet. Dabei muß ich natürlich in erster Linie an die unmittelbaren Kellernachbarn denken.“
„Und warum redest du nicht einfach mit ihnen darüber?“
„Weil sie nicht mit mir reden. Wenigstens nicht über dieses Thema.“
„Aber es ist deine feste Überzeugung, daß sie aufrechte Männer sind?“
„Ja. Ohne Wenn und Aber.“
Karin Walter nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Polt ließ sie ungestört nachdenken. „Weißt du was?“ sagte sie endlich, „auch eine geprüfte Pädagogin greift manchmal zu üblen Tricks. Warum nicht auch ein Gendarm?“
„Laß wenigstens einmal hören.“
„Wenn du aufrechte Männer zu etwas zwingen willst, brauchst du nur dafür sorgen, daß sie vor ihrer eigenen Anständigkeit kapitulieren müssen.“
„Versteh ich nicht.“
„Klar, du bist ja ein Mann. Also: Wir setzen ein Gerücht in die Welt, daß die Indizien ausreichen, diesen Florian Swoboda erfolgreich wegen Mordes anzuklagen. Jeder anständige Mensch, der bisher den wahren Schuldigen gedeckt hat, gerät damit in einen Gewissenskonflikt, den er nur mit der Wahrheit lösen kann.“
„Hinterhältig und grausam, so was.“
„Stammt ja auch von mir. Weißt du jemand, der ein Gerücht verläßlich und mit Nachdruck unter die Leute bringt?“
„Und ob. Aloisia Habesam, die mit dem Dorfkaufhaus. Will alles wissen und erzählt viel.“
„Natürlich! Das hätte auch mir einfallen können.“
Polt war die Angelegenheit mehr als peinlich. „Soll ich mit ihr reden?“
„Nein. Das erledige ich. Natürlich habe ich mein Wissen von dir, abgeschmeichelt mit weiblicher List und Tücke. Damit wird dein Ruf auch nicht viel schlechter, und die Frau Habesam wird es überzeugen. Ja, und dann bist wieder du am Ball, mein lieber Simon. Leicht wird es nicht werden.“ Mit diesen Worten stand sie auf, ging ins Vorzimmer und schlüpfte in einen feuerroten dicken Mantel. „Ich gehe gleich ans Werk. Bis später also!“
„Bis später.“
Sie traten aus dem Haus, Simon Polt sah Karin in einer Gasse verschwinden und versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er säte den sprichwörtlichen Wind, um Sturm zu ernten. Wenn er dabei Schiffbruch erlitt, war das seine Sache.
Polt stutzte plötzlich, weil ihm noch etwas eingefallen war: Simon – Karin. Was war denn da passiert?
Zu viele Mörder
Es ließ sich nicht vermeiden, daß Polt dem unmittelbaren Vorgesetzten von seiner dörflichen Intrige erzählte. Harald Mank neigte zweifelnd das Haupt. „Offiziell will ich nichts davon wissen, lieber Simon, du allein trägst die Verantwortung. Andererseits: Da sieht man wieder einmal, wozu Weiber fähig sind.“
Nachdem wenigstens gerüchteweise der Fall Hahn so gut wie abgeschlossen war, vermied es Polt in den nächsten Tagen, sich in der Brunndorfer Kellergasse zu zeigen. Nur seinen Freund Friedrich Kurzbacher besuchte er, weil er das schon immer getan hatte. Sie redeten dann über dies und jenes, gingen ganz normal miteinander um, und Simon Polt begann allmählich daran zu glauben, daß Albert Hahn zumindest für Friedrich kein Thema mehr war. Doch eines Tages, Polt war schon im Gehen, hielt ihn der alte Weinbauer am Ärmel zurück. „Bevor ich’s vergesse, Simon, heute abend treffen sich ein paar von uns im Keller. Wenn du dabeisein möchtest, bist du eingeladen.“
„Gern, wirklich“, sagte der Gendarm und fror plötzlich.
Es war längst dunkel geworden, als Simon Polt sein Fahrrad an den Stamm des großen Nußbaumes vor Friedrich Kurzbachers Preßhaus lehnte. Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet, er trat ein, sah, daß auch die Kellertür offenstand, und ging langsam nach unten. Rund um den kleinen Tisch, an dem vor Wochen Florian Swoboda versucht hatte, seine wachsende Verzweiflung wegzutrinken, standen Friedrich Kurzbacher, Christian Wolfinger, Karl
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