Polt - die Klassiker in einem Band
ausgemauerten Nische. Die Ziegel waren von einer naß glänzenden Schicht bedeckt.
„Wie nennt man dieses Zeugs eigentlich?“ Karin tupfte mit dem Zeigefinger dagegen und schnupperte interessiert.
„Kellerschlatz“, sagte Polt verlegen, weil ihm ein Wort wie Märchentau lieber gewesen wäre, oder doch wenigstens Feenspucke. Rasch fuhr er fort. „Wenn du eine Münze draufklebst, darfst du dir was wünschen!“
„Wozu wünschen?“ Karin faßte Simon unternehmungslustig ins Auge. In diesem Moment betrat Aloisia Habesam die Szene, feierlich eine Kerze schwenkend.
„Darf ich gratulieren?“
„Leider nein.“ Karin seufzte. „Dieser entartete Gendarm hat mir gerade gestanden, daß er nur mit Frauen in Schnürstiefeln und Latex kann, Sie wissen schon, die mit den schwarzen Lederpeitschen. Aber woher soll ich so etwas nehmen, hier bei uns auf dem Land?“
„Macht euch nur lustig über mich!“ entgegnete Frau Habesam überraschend sanftmütig. „Und jetzt kommt mit, ihr zwei. Der Höllenbauer hat nämlich gerade eine Flasche Jubiläumsrebe aufgemacht, Beerenauslese 1983. Ganz etwas Rares. Das überlassen wir nicht den Männern, was, Karin?“
Als der Höllenbauer mit seinen Gästen eine gute Stunde später ans Tageslicht kam, schaute Karin Walter auf die Uhr. „Teufel. Schon vier. Und ich muß noch dreißig Schulaufsätze korrigieren für morgen. Bis bald also.“
Rasch ging sie davon, und auch Polt hielt es nicht länger. Er hatte ohnehin noch vor, in der nahen Brunndorfer Kellergasse vorbeizuschauen. Langsam lenkte er sein Fahrrad zwischen den Fußgängern talwärts und bremste, als er vor Franz Greisingers Preßhaus eine aufgeregt diskutierende Menschengruppe bemerkte. Er drängte sich durch und sah zwei kahlköpfige junge Männer, die grellbunte Freizeithosen und T-Shirts trugen. Einer der beiden lag bewegungslos auf dem Asphalt, Erbrochenes vor dem Mund. Der zweite lehnte an der Preßhausmauer, hatte eine Weinflasche in der Hand und nahm von Zeit zu Zeit einen kräftigen Schluck. Polt kannte die zwei natürlich. Ihre Eltern, offensichtlich wohlhabende Leute, hatten vor ein paar Wochen ein Haus im neuen Siedlungsgebiet von Burgheim gekauft. Seitdem verbrachten sie viel Zeit auf dem Land. Ihre Söhne, tödlich gelangweilt, zogen durch die Wirtshäuser und Kellergassen, benahmen sich aggressiv und soffen bis zum Umfallen. Anatol und René Frieb hießen sie.
Sepp Räuschl war neben Polt getreten. „Eine Schande ist so etwas, an einem Ostermontag.“
„Maul halten, Grufti“, lallte der, den Polt für Anatol hielt, taumelte auf Räuschl zu und wollte ihm mit der Flasche auf den Kopf schlagen. Der Gendarm bewegte sich jetzt erstaunlich schnell. Er packte das Handgelenk des Angreifers und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Die Flasche fiel zu Boden und zerbrach. Polt ließ den Burschen los und stieß ihn gegen das Preßhaus. „Immer schön friedlich, ja?“ Anatol lehnte apathisch an der Mauer.
„Wer kann die zwei transportieren?“ fragte der Gendarm die Runde.
Sepp Räuschl schaute Polt respektvoll an. „Ich hol den Traktor mit dem Anhänger. Den kann ich ja nachher mit dem Schlauch abspritzen.“
Nachdem Polt und Räuschl die beiden im Haus ihrer Eltern abgeliefert hatten, radelte der Gendarm nach Brunndorf. Es war schon Abend, als er zu guter Letzt das abseits der großen Kellergasse gelegene Preßhaus seines Freundes Friedrich Kurzbacher erreichte. Der alte Weinbauer stand in der offenen Tür, als habe er gewartet. „Hast du die anderen Besuche alle hinter dir? Dann können wir jetzt ja richtig trinken!“
Polt setzte sich an den grün gestrichenen Tisch, der vor Kurzbachers Preßhaus unter einem großen Nußbaum stand. Die Sonne leuchtete schon rötlich, und ein leichter frischer Wind kam auf. „Lieber nicht. Höchstens einen Schluck. Es wird mir sonst zu viel heute.“
„Auch gut.“ Der Kurzbacher füllte die Gläser. „Allerhand los bei uns in letzter Zeit, wie? Erst der Riebl Rudi und dann dieser …“
„Willi.“
„Ja, der. War halt ein Pech. Viel war mit dem nie anzufangen. Ein unnützer Esser, wie man so sagt.“
„Aber er hat gern gelebt. Und mein Freund war er auch.“
„Wenn du meinst. Möchtest du einen Ribisler kosten? Einmal was anderes.“
„Ribiselwein? Nein danke. Zu schwer für mich, weißt du, und viel zu süß.“
„Hast recht. Was für die Weiber. Ich geb dir einen mit für die Karin Walter.“
„Die wird sich schön wundern, wenn ich mit einem
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