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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Geschenk daherkomme.“
    „Glaub ich nicht.“
    „So. Glaubst du nicht.“ Polt gab dem Kurzbacher einen Rempler. „Ihr wißt alle mehr als ich, scheint mir.“
    Der Kurzbacher hob die Schultern und ging ins Preßhaus, wo er die Flasche mit dem süßen Wein besonders sorgfältig abwischte und geradezu liebevoll in Zeitungspapier wickelte.
    Es ist ein Lied in allen Dingen
    Gendarmerieinspektor Simon Polt saß allein in einem Büro der Dienststelle, hatte die Notizen aus den letzten Tagen vor sich liegen und dachte darüber nach, ob Willi wirklich sein Freund gewesen war. Anfangs keinesfalls. Er hatte dieselbe Scheu vor ihm gehabt wie die anderen in der Gegend. Der hilflose und manchmal aufdringlich wirkende Eifer, mit dem sich Willi vor allen bestätigen wollte, hatte ihn verwirrt. Auch konnte er mit der distanzlosen Zuneigung nicht umgehen, mit der Willi alle umfing, denen er nahekommen konnte. Doch nach und nach war er mit dieser merkwürdig verkürzten Weltsicht vertraut geworden und empfand sie als tröstlichen Blick über den Gartenzaun der Normalität. Als Gendarm mußte Polt seine Mitmenschen in solche einteilen, die sich korrekt verhielten, und andere, die gegen Recht und Ordnung verstießen. Willi kannte keine Kategorien und er machte keine Unterschiede. Daran änderten auch böse Erfahrungen nichts. Wenn ihm ein Mensch weh tat, verstand er es einfach nicht. Andererseits war die Freude groß, wenn er sich einmal nicht zurückgewiesen fühlte.
    Willi und Polt hatten einander gemocht und respektiert. Also doch Freundschaft? Aber als Freund hätte Polt wenigstens versuchen müssen, ihm auch ganz konkret zu helfen. Behutsam und klug betreut, wäre Willi sicher dazu fähig gewesen, sinnvolle Arbeit zu leisten, und er hätte daran Freude gehabt. Doch solche Überlegungen brachten wenig. Weitere Ermittlungen zu Willis Tod waren erst gar nicht angeordnet worden. Polt wollte sich damit nicht zufriedengeben, aber er wußte nicht recht, wo er ansetzen sollte. Jedenfalls würde er mit Frau Raab reden, die für Willi gesorgt hatte.
    Auch in der Sache Breitwieser und Riebl traten die Gendarmen auf der Stelle. Der Befund des Gerichtsmediziners bestätigte zwar, daß auch der Mopedfahrer getrunken hatte, doch 0,9 Promille waren für einen routinierten Alkoholiker wie den Riebl Rudi so gut wie ohne Bedeutung, und in der Straßenmitte war er eigentlich immer gefahren. Nichts bewies, daß er den Unfall provoziert hatte.
    Im langen Gespräch mit Hilda Fuchs war außer viel Geschwätz über „die auf dem Gutshof“ wenig Interessantes zu erfahren gewesen. Eine Kleinigkeit vielleicht: Sie glaubte, vor Josef Schachingers Hoftor eine Bewegung bemerkt zu haben. Aber ein Mauervorsprung behinderte die Sicht dorthin, und später hatte sie nur noch auf den Unfall geachtet. Eine gründliche Nachforschung in den umliegenden Häusern war ergebnislos geblieben. Es gab um diese Zeit kaum Menschen auf der Straße, und es lohnte sich nicht, aus dem Fenster zu schauen.
    Gegen Abend, nach Dienstschluß, beeilte sich Polt, nach Hause zu kommen, fütterte seinen Kater, holte die Flasche mit dem Ribiselwein aus dem Kühlschrank und fuhr auf gut Glück mit dem Rad nach Brunndorf, wo Karin Walter wohnte. Er sah Licht im Küchenfenster, klopfte ans Glas, und gleich darauf stand die Lehrerin in der offenen Tür. „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“
    „Goethe?“ riet Polt verzagt.
    „Knapp daneben, Schiller. Du darfst trotzdem herein.“
    Simon Polt nahm die Weinflasche vom Gepäckträger und entfernte ungeschickt das Zeitungspapier. „Soll ich dir mitbringen, vom Kurzbacher.“
    Karin hielt die Flasche gegen das Licht. „Das muß Ribiselwein sein. Der Kurzbacher meint wohl, der sei genau richtig für das Knacken züchtiger Jungfern.“
    „Und?“
    „Ich hasse Ribiselwein.“
    „Kann ich verstehen“, gab Polt zu, „soll ich ihn wieder mitnehmen?“
    „Ach wo. Meine Tante ist ganz wild drauf. Und mit ihren 74 Jahren kommt sie auch nicht mehr auf allzu dumme Ideen. Darf ich dich in die Küche bitten? Sonst brennt nämlich mein Milchreis an.“ Karin schnupperte. „Uiii. Schon passiert. Hast du übrigens gegessen?“
    „Nein.“ Polt sah ein feines Rauchwölkchen aufsteigen. Milchreis, ob angebrannt oder nicht, zählte für ihn zu den schlimmsten kulinarischen Heimsuchungen. Aber in Karins Küche lagen die Dinge nun einmal anders.
    „Gar nicht so schlecht“, sagte Karin etwas später vergnügt, „das Schwarze gibt ihm eine gewisse

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