Polt - die Klassiker in einem Band
mit ein paar Ästen verspreizt, im flachen Wasser, und darauf saß eine aus Säcken geschnürte Puppe in Frauenkleidern, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Frau Habesam nicht abzusprechen war. Polt zog Schuhe und Socken aus, krempelte die Hosenbeine hoch und barg seinen Fund. Das Fahrrad klemmte er unter den Kofferraumdeckel und die Puppe plazierte er auf dem Beifahrersitz. Kaum eine Minute später bremste Polt vor Frau Habesams Geschäft. Sofort kam die Inhaberin vor die Tür. „Polizeibesuch, was für eine zweifelhafte Ehre!“ Dann erblickte sie Polts Mitfahrerin und ließ ein empörtes Schnauben hören. „Wer soll das denn sein?“
„Weiß ich doch nicht.“ Der Gendarm war ausgestiegen. „Jedenfalls ist die Dame auf Ihrem Fahrrad gesessen, Frau Habesam, im Brunndorfer Feuchtbiotop übrigens.“
„Nichts wie Bosheit ist in der Welt“, merkte die Kauffrau an und nahm ihr Fahrrad entgegen. „Jetzt soll ich mich auch wohl noch bedanken, bei Ihnen, nicht wahr? Den Teufel werd ich tun. Sorgen Sie in Zukunft dafür, daß ehrbare Frauen nicht bestohlen werden. Auf Wiedersehen, Herr Inspektor. Ich habe Kundschaften im Geschäft.“ Sie warf noch einen verächtlichen Blick auf die Puppe. „Und die da nehmen Sie wohl zum Spielen mit nach Hause, nicht wahr? Wird die Karin Walter aber ganz schön eifersüchtig sein.“
Polt wandte sich wortlos ab und machte sich auf den Weg zum Runhof. Diesmal stand Horst Breitwieser in der Tür. Er trug Schnürlsamthosen und eine dicke Strickjacke. „Guten Tag, Herr Inspektor. Sie bemerken schon: Niemand nähert sich dem Runhof ungesehen. Gibt es etwas Neues? Aber kommen Sie doch erst einmal herein.“
Polt folgte dem alten Mann in einen riesigen Innenhof. Breitwieser war stehengeblieben und wies mit einer müden Geste in die Runde.
„Eine sterbende Welt, Inspektor. Wenn wir diesen Fritz Brenner nicht hätten, säßen meine Frau und ich schon im Altersheim. So aber können wir noch die Getreidefelder bestellen, und Vieh gibt es auch. Das reicht mehr schlecht als recht für die Pacht. Doch eigentlich sollte man sterben lassen, was nicht zum Leben taugt. Bitte kommen Sie weiter.“ Horst Breitwieser ging auf eine kleine Tür zu, die in die Küche führte. Seine Frau stand an einem großen gemauerten Herd, schaute kurz auf und nickte grüßend. Der Gendarm glaubte zu erkennen, daß sie geweint hatte. Als Polt nähertrat, bemerkte er, daß auf der Eisenplatte ein kleiner Petroleumkocher stand. Breitwieser lächelte, als er Polts erstauntes Gesicht sah. „Das Gerät genügt für uns beide. Funktioniert seit Jahrzehnten, und Petroleum ist billig. Noch in der Zeit zwischen den Kriegen wurde hier für Hunderte von Leuten gekocht. Heute können wir Sie nicht einmal zum Mittagstisch einladen. Es würde nicht reichen. Doch gehen wir ins Arbeitszimmer.“
Eine abgetretene Holztreppe mit schön gedrechseltem Geländer führte in den ersten Stock. Dort gab es eine hohe zweiflügelige Tür. Auf der Mauer waren Reste einer gemalten Umrahmung zu sehen und ein Wappen. „Erkennen Sie es, Inspektor? Nein? Das Wappen der Kuenringer. Die hatten auch hier Besitzungen. 1747 haben sie auf Schloß Seefeld den Letzten ihres Stammes begraben. Soll ein Mordsspektakel gewesen sein, damals. Jedenfalls hatte der Herr etwas mit mir gemeinsam: Er war hoch verschuldet.“ Breitwieser öffnete die Tür. Polt schaute sich erstaunt um, weil er einen solchen Raum hier nicht vermutet hätte. Zuerst fiel der Blick auf einen wuchtigen Schreibtisch und ein Gemälde darüber, das die monumentale Gestalt eines Sämanns zeigte. „Schönes Bild“, bemerkte Polt höflich.
„Ein Lanzinger. Großartiger Maler. Verkannt, ja verleugnet heutzutage, und in den Schmutz gezogen.“
Zur rechten Hand umrahmte eine Bücherwand einen offenen Kamin, vor dem zwei lederbezogene Ohrenstühle standen. Gegenüber gab es noch eine Sitzgruppe. Breitwieser deutete auf einen der niedrigen Stühle. „Nehmen Sie bitte den. Der ist noch am stabilsten. Sie werden sich fragen, was dieser noble Arbeitsraum hier soll. Hier hat der Verwalter residiert, die rechte Hand des Gutsherrn. Die Leute vom Hof waren ärmer dran als die Bauern im Dorf, aber ihr Herr konnte sich einigen Luxus leisten.“ Breitwieser schmunzelte. „Und wenn er einmal Lust auf eine der Mägde hatte, war’s wohl auch kein Problem.“
Polt kannte einige alte Gutshöfe in der Gegend, doch waren ihm diese elegischen Reste feudaler Strukturen immer fremd gewesen. „Wann war
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